Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Aktenzeichen 10 S 275/97) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22. Oktober 1998 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 125 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist nicht begründet. Der Rechtssache kommt die von der Beschwerde als alleiniger Zulassungsgrund geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht zu.
1. Die Frage, ob „es sich um ‚Wohnraum’ bzw. um ‚Wohnnutzung’ i.S. des Zweckentfremdungsrechts (handelt), wenn die Wohnung nicht mehr persönlich bzw. im körperlichen Sinne bewohnt wird, sondern nur mehr zur Aufbewahrung des darin bisher schon vorhandenen Hausrats und ergänzend zur Erledigung von Verwaltungsangelegenheiten bezüglich des entsprechenden Anwesens genutzt wird”, betrifft nur die Rechtsanwendung im Einzelfall, nämlich die Subsumtion eines konkreten Sachverhalts unter die abstrakten Tatbestandsmerkmale des Art. 6 § 1 Abs. 1 Satz 1 MRVerbG in Verbindung mit dem maßgeblichen Landesrecht (hier unter das Merkmal Zweckentfremdung als „Zuführung von Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken”). Soweit dabei grundsätzliche Fragen des revisiblen Rechts berührt werden, sind diese durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits hinlänglich geklärt: Ob „Wohnraum” vorliegt, richtet sich danach, ob die Räumlichkeit geeignet und bestimmt ist, auf Dauer bewohnt zu werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 1991 – BVerwG 8 C 101.89 – Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 17, S. 11 m.w.N.). Diese Eigenschaft verliert Wohnraum, was auf der Hand liegt, nicht dadurch, daß der Nutzungsberechtigte ihn dazu „bestimmt”, leer zu stehen. Vermeidbares Leerstehen von bewohnbarem und damit im Sinne des Art. 6 § 1 MRVerbG schutzwürdigem Wohnraum fällt unter den Tatbestand der verbotenen Zweckentfremdung (BVerwG, a.a.O., S. 15 m.w.N.) und verdient darum, sofern „Wohnraum” dem Zweckentfremdungsrecht unterliegt, im Hinblick auf die dadurch konkretisierte Sozialpflichtigkeit des Eigentums (s. BVerwG, a.a.O., S. 14, sowie bereits Urteil vom 11. März 1983 – BVerwG 8 C 102.81 – Buchholz, a.a.O., Nr. 9, S. 18) nicht, im Rahmen der sonst gewährleisteten Privatnützigkeit des Eigentums und der daraus folgenden Verfügungsfreiheit des Eigentümers als dessen „Bestimmung” des Nutzungszwecks hingenommen zu werden.
2. Nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist auch die Frage, ob „von einem zweckentfremdungsrechtlich relevanten ‚Leerstehen- lassen von Wohnraum’ auch dann auszugehen (ist), wenn eine Wohnung vor Inkrafttreten einer Zweckentfremdungsverordnung zwar schon längere Zeit leerstand …, … aber ihre subjektive Bestimmung zu Wohnzwecken nach außen erkennbar bereits verloren hatte”. Eine solche Frage würde sich in einem Revisionsverfahren vorliegend schon deswegen nicht stellen, weil das Berufungsgericht von einem – mit der Frage unterstellten – „Verlust der Zweckbestimmung” im Sinne einer nach obigen Grundsätzen von der Rechtsordnung hinzunehmenden „Umwidmung” der hier in Rede stehenden Räumlichkeiten bereits vor Inkrafttreten des Zweckentfremdungsverbotes (aufgrund der Verordnung der Landesregierung Baden-Württemberg vom 25. Oktober 1993 – GBl S. 630 –) gerade nicht ausgegangen ist. Nach der Sachlage, von der in einem Revisionsverfahren nach § 137 Abs. 2 VwGO ausgegangen werden müßte und die auch dem Sachvortrag des Klägers entspricht (siehe S. 9 des Berufungsurteils, S. 2 der Beschwerdebegründung), war der frühere Wohnungsinhaber (der Vater des Klägers) bereits 1987 aus dem Anwesen ausgezogen und darin der Hausrat verblieben. Damit stand die Wohnung im Rechtssinne „leer”, sie war nicht mehr bewohnt.
Daß das bloße „Aufbewahren des Hausrats am bisherigen Standort für die Erben und durch die Erben bis zur endgültigen Verteilung des (Hausrats) unter diese” kein „Bewohnen” im Sinne der hinter dem Zweckentfremdungsverbot stehenden gesetzlichen Zielsetzung ist, leerstehenden Wohnraum dem Wohnungsmarkt zuzuführen, erscheint als so selbstverständlich, daß insoweit kein Revisionsverfahren zur Klärung durchgeführt werden muß. Dies gilt – was das Rechtsgrundsätzliche betrifft – gleichermaßen für die Beurteilung der von der Vorinstanz vertretenen Annahme, daß die vom Kläger vorgetragene Weiternutzung der Wohnung zur „Erledigung von Verwaltungsangelegenheiten bezüglich des Anwesens” keine gewerbliche Nutzung darstellt; dies ist auch Auffassung der Beschwerde (vgl. S. 6 unten der Beschwerdebegründung). Es kann dahinstehen, ob neben einer „eigentlichen Wohnnutzung” und einer gewerblichen Nutzung, wie die Beschwerde zu erwägen gibt, noch eine „Nutzung eigener Art” vorstellbar ist. Jedenfalls würde eine Nutzung nach Maßgabe der hier zugrunde zu legenden Umstände nichts an dem für das Eingreifen des Zweckentfremdungsverbotes entscheidenden „Leerstehenlassen” ändern.
Schließlich ist auch insoweit kein Revisionsverfahren erforderlich, als die Beschwerde in diesem Zusammenhang geklärt wissen will, ob der bereits vor dem Inkrafttreten des Zweckentfremdungsverbotes eingetretene und vom Kläger sowie den übrigen Mitgliedern der Erbengemeinschaft nicht veränderte Zustand der Wohnräume „tatsächlich als ‚Zweckentfremdung’ beanstandet und dementsprechend verlangt werden kann, die Räume ‚wieder Wohnzwecken zuzuführen’” (S. 7 der Beschwerdebegründung). Die Beschwerde nimmt in Anschluß an Böhle, Zweckentfremdung von Wohnraum (1994), Rn. 51, selbst den Standpunkt ein, daß es sich „nach wie vor um Wohnraum i.S. des Art. 6 § 1 Abs. 1 Satz 1 MRVerbG (handele)”, wenn „eine Wohnung (, die) beim Inkrafttreten einer Zweckentfremdungsverordnung schon längere Zeit leersteht, gleichwohl aber trotzdem ihre objektive Eignung und subjektive Bestimmung zu Wohnzwecken nach außen erkennbar nicht verloren hat” (S. 8 der Beschwerdebegründung). Es versteht sich von selbst, daß die Eigenschaft von Räumlichkeiten als „Wohnraum” nicht allein deshalb entfällt, weil ihr Bewohner und Eigentümer verstorben ist. In einem solchen Fall ist zwar die „subjektive Bestimmung” des Nutzungszwecks durch die Rechtsnachfolger maßgebend; doch liegt eine Verfügung über die Nutzung der Wohnung auch darin, daß die Rechtsnachfolger einen beim Tod des Wohnungseigentümers und – inhabers bereits bestehenden Leerstand der Wohnung aufrechterhalten. Auch dieses Verhalten unterliegt einem – wenn auch erst nachträglich nach Beginn des Leerstandes in Kraft getretenen – Zweckentfremdungsverbot. Es sind keinerlei Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, die gesetzliche Voraussetzung, daß „Wohnraum… anderen als Wohnzwecken… zugeführt” wird, einengend dahin zu verstehen, daß darunter nicht auch die Aufrechterhaltung von Wohnungsleerstand fällt. Daß die Bestimmung, eine Wohnung solle leerstehen, deren subjektive Bestimmung zu Wohnzwecken (im Sinne des Tatbestandsmerkmals „Wohnraum”) nicht in einer vom Zweckentfremdungsrecht zu respektierenden Weise berührt, wurde bereits ausgeführt.
3. Nicht in rechtsgrundsätzlichem Sinne (und zugunsten des Klägers) klärungsfähig ist schließlich auch die Frage, ob „das … ‚Leerstehen lassen’ von Wohnraum ‚absichtlich und vermeidbar’ und damit schädlich im Sinne des Zweckentfremdungsrechts (ist), wenn es zur Aufbewahrung bzw. Unterbringung des dort bisher befindlichen Hausrats durch die Rechtsnachfolger des bisherigen Wohnungsinhabers in Form einer ungeteilten Erbengemeinschaft dient und die Erbengemeinschaft noch nicht auseinandergesetzt ist…”. Es versteht sich in rechtsgrundsätzlicher Hinsicht abermals von selbst und ist deshalb ebenfalls nicht revisionsgerichtlich klärungsbedürftig, daß durch einen nur kurzen, vorübergehenden Leerstand, der auf einen Wechsel des Eigentums an der Wohnung zurückgeht, der Wohnraum nicht im Sinne des Gesetzes „anderen als Wohnzwecken… zugeführt” wird. Welche zeitlichen Intervalle unter diesem Gesichtspunkt nicht unter ein Zweckentfremdungsverbot fallen, läßt sich dagegen nicht allgemeingültig, das heißt ohne Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalles, beurteilen (im vorliegenden Fall lagen zwischen dem Eintritt des Erbfalles im Mai 1989 und dem Inkrafttreten des Zweckentfremdungsverbotes im Oktober 1993 mehr als vier Jahre, bis zur Heranziehung der Erbengemeinschaft durch die Beklagte vergingen fast weitere zwei Jahre) und ist deshalb einer revisionsgerichtlichen Klärung nicht zugänglich. Daß ein vom Zweckentfremdungsverbot betroffener Eigentümer von Wohnraum sich grundsätzlich darauf verweisen lassen muß, für eine anderweitige Nutzung benötigte Räumlichkeiten ggf. selbst anzumieten, wenn hierfür ausreichender Raum (hier: für die Aufbewahrung von Hausrat geeigneter Lagerraum) in der jeweiligen Gemeinde vorhanden ist, ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt (siehe BVerwGE 95, 341 ≪352 f.≫).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes auf § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Rothkegel, Dr. Franke
Fundstellen