Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückübertragung. Erbengemeinschaft. Erbanteil. Miteigentum. Gesamthandseigentum. staatliche Verwaltung. Veräußerung. unlautere Machenschaften. gerichtlicher Verkauf. Erbauseinandersetzung. Bruchteilseigentum. rechtlicher Erwerb
Leitsatz (amtlich)
Beantragt der staatliche Verwalter eines Erbanteils mißbräuchlich den gerichtlichen Verkauf eines zum Nachlaß gehörenden Grundstücks und führt dies zum Erwerb des Grundstücks durch einen anderen Miterben, so ist grundsätzlich nur der staatlich verwaltete Erbanteil und nicht die Erbengemeinschaft von einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 VermG betroffen.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 1 Buchst. c, Abs. 3, § 2a Abs. 2, 4, § 4 Abs. 1 S. 1; BGB § 2042; ZGB DDR § 423; Einigungsvertrag Art. 18 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
VG Chemnitz (Urteil vom 29.10.1992; Aktenzeichen C 2 K 490/91) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 29. Oktober 1992 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die auf das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz – VermG) gestützte Rückübertragung des Eigentums an einem Grundstück. Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks war ursprünglich Frau Emma U. Nach deren Tod im Jahre 1971 ging das Eigentum auf eine aus der Klägerin, Herrn Max U. und Frau Traute U. bestehende Erbengemeinschaft über. Der Erbanteil der Klägerin in Höhe von einem Drittel wurde unter staatliche Verwaltung gestellt, weil die Klägerin die DDR im Jahre 1957 ohne Erlaubnis zur ständigen Ausreise verlassen hatte. Im Jahre 1986 beantragte der als Treuhandverwalter bestellte Rat der Gemeinde E. die Aufhebung der Erbengemeinschaft durch gerichtlichen Verkauf des Grundstücks nach Maßgabe der Verordnung über die Vollstreckung in Grundstücke und Gebäude vom 18. Dezember 1975 (GBl I 1976, S. 1). Nachdem zunächst das Kreisgericht den Rat der Gemeinde E. als Erwerber festgestellt hatte, hob das Bezirksgericht auf die Beschwerde des Miterben Max U. mit Beschluß vom 19. Februar 1987 die Entscheidung des Kreisgerichts auf und stellte diesen als Erwerber des Grundstücks fest; der Kaufpreis betrug 6.300 Mark der DDR.
Den im Jahre 1990 gestellten Antrag der Klägerin auf Rückgabe des ihr entzogenen Eigentumsanteils an dem Grundstück lehnte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen ab und stellte fest, daß die Klägerin lediglich die Auszahlung eines Drittels des Verkaufserlöses beanspruchen könne. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos; das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen verneinte bereits das Vorliegen einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 VermG.
Die Klägerin erhob Klage mit dem Hauptantrag, das Eigentum an dem Grundstück an die Erbengemeinschaft nach Emma U. zurückzuübertragen. Das Verwaltungsgericht verpflichtete mit Urteil vom 29. Oktober 1992 entsprechend dem zweiten Hilfsantrag der Klägerin den Beklagten zu der Feststellung, daß der Klägerin dem Grunde nach ein Anspruch auf Entschädigung bezüglich des ehemaligen Erbanteils an dem streitbefangenen Grundstück zustehe; im übrigen wies es die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Der Erbanteil der Klägerin sei Gegenstand einer unlauteren Machenschaft im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG gewesen. Der Rat der Gemeinde E. habe nämlich unter Überschreiten der Befugnisse eines staatlichen Treuhandverwalters machtmißbräuchlich die Aufhebung der Erbengemeinschaft betrieben und damit den Gesamthandsanteil der Klägerin zum Erlöschen gebracht. Allerdings sei der geltend gemachte Anspruch gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG ausgeschlossen, weil eine Rückübertragung von der Natur der Sache her nicht mehr möglich sei. Mit der Aufhebung der Erbengemeinschaft im Jahre 1987 sei diese endgültig erloschen und könne in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit auch nicht wieder aufleben. Ebensowenig könne die Klägerin entsprechend ihrem ersten Hilfsantrag die Rückübertragung eines Miteigentumsanteils zu einem Drittel verlangen, da sie niemals Bruchteilseigentum an dem Grundstück innegehabt habe.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin nur noch den Hauptantrag. Zur Begründung trägt sie vor: Entgegen der Ansicht des angefochtenen Urteils sei die Erbengemeinschaft nach Emma U. nicht aufgelöst worden, sondern bestehe heute noch, so daß die drei Miterben bzw. deren Rechtsnachfolger nach wie vor gesamthänderisch Eigentümer des streitbefangenen Grundstücks seien. Wegen des rechtsmißbräuchlichen Vorgehens des staatlichen Treuhandverwalters habe nämlich das Verfahren über die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft von Anfang an keine rechtliche Wirkung entfalten können.
Der Beklagte macht geltend, daß schon die Annahme eines machtmißbräuchlichen Verhaltens des staatlichen Treuhänders im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG verfehlt sei; zumindest aber scheitere der Rückübertragungsanspruch der Klägerin an § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG. Die beigeladenen Erben des Grundstückserwerbers Max U. halten das verwaltungsgerichtliche Urteil für zutreffend. Der Oberbundesanwalt ist der Ansicht, daß die Erbengemeinschaft auch dann wirksam aufgelöst worden sei, wenn das Vorgehen des staatlichen Treuhandverwalters als rechtsmißbräuchlich anzusehen wäre; denn der gerichtliche Verkauf des Grundstücks an den Miterben Max U. sei ordnungsgemäß durchgeführt und rechtskräftig abgeschlossen worden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht den von der Klägerin geltend gemachten Rückübertragungsanspruch verneint.
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist allein noch die Frage, ob die Klägerin entsprechend ihrem Hauptantrag die Rückübertragung des Eigentums an dem streitbefangenen Grundstück auf die Erbengemeinschaft nach Emma U. beanspruchen kann. Dieser Anspruch scheitert entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht schon an der gemäß § 25 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung über die Vollstreckung in Grundstücke und Gebäude vom 18. Dezember 1975 (GBl I 1976, S. 1) erfolgten Aufhebung der Erbengemeinschaft im Jahre 1987. Denn diese wäre bezüglich eines zu restituierenden Vermögenswertes als noch nicht beendet anzusehen (vgl. § 2 a Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 VermG).
2. Der mit dem Hauptantrag verfolgte Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks an die Erbengemeinschaft setzt allerdings voraus, daß nicht bloß der Klägerin hinsichtlich ihres Erbanteils, sondern der Erbengemeinschaft selbst ein solcher Anspruch zusteht. Daran fehlt es. Die Erbengemeinschaft nach Emma U. war nicht von einer Maßnahme im Sinne des § 1 VermG betroffen. Weder liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG vor, noch ist das Grundstück durch unlautere Machenschaften (§ 1 Abs. 3 VermG) der Erbengemeinschaft entzogen worden.
a) § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG begründet einen vermögensrechtlichen Anspruch, wenn ein Vermögenswert durch den staatlichen Verwalter an einen Dritten veräußert wurde. Dieser Schädigungstatbestand knüpft an den Umstand an, daß mit der Veräußerung der Vermögenswert aus der staatlichen Verwaltung entlassen war und deshalb die Wiedergutmachung der Unrechtsmaßnahme nicht mehr durch bloße Aufhebung der staatlichen Verwaltung gemäß § 1 Abs. 4, §§ 11 ff. VermG erfolgen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1994 – BVerwG 7 C 24.93 – NJW 1994, 2713). Typischer Fall ist die Veräußerung im Wege eines Kaufvertrages. Eine Veräußerung im Sinne von § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG kann aber auch dann vorliegen, wenn der staatliche Verwalter die Aufhebung gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe des § 25 der Verordnung über die Vollstreckung in Grundstücke und Gebäude vom 18. Dezember 1975 (GBl I 1976, S. 1) mit dem Ziel beantragt, daß die gerichtliche Verkaufsanordnung zum Übergang des Eigentums auf einen Dritten führt.
Eine vermögensrechtliche Ansprüche begründende Schädigung kann aber in derartigen Fällen nicht weiter reichen als die Verwaltungsbefugnisse, auf deren Grundlage der gerichtliche Verkauf betrieben wird. Erstreckt sich die staatliche Verwaltung auf das gesamte gemeinschaftliche Eigentum, also beispielsweise auf alle Erbanteile einer Erbengemeinschaft, ist auch der gesamte Vermögenswert im Sinne von § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG entzogen worden mit der Folge, daß bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der Vermögenswert als solcher an die früheren Berechtigten gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG zu restituieren ist. Wird dagegen nur ein Anteil an dem Eigentum staatlich verwaltet, so betrifft die schädigende „Veräußerung” nur diesen Anteil und damit allein das Verhältnis zwischen dem betroffenen Miteigentümer und dem staatlichen Verwalter. Im hier zu entscheidenden Fall könnte also, wie das Verwaltungsgericht zu Recht betont hat, nur von einer durch den staatlichen Verwalter erfolgten Veräußerung des Erbanteils der Klägerin, nicht aber des im Gesamthandseigentum der Erbengemeinschaft stehenden Grundstücks gesprochen werden.
b) § 1 Abs. 3 VermG begründet vermögensrechtliche Ansprüche, wenn ein Vermögenswert dem früheren Rechtsinhaber durch unlautere Machenschaften von Seiten des Erwerbers, staatlicher Stellen oder Dritter entzogen wurde. Der zu dem Rechtsverlust führende Erwerbsvorgang muß nicht rechtsgeschäftlicher Natur gewesen sein; erfaßt wird vielmehr grundsätzlich jede Art des Rechtserwerbs, beispielsweise auch durch Enteignungen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28. Juli 1994 – BVerwG 7 C 41.93 – VIZ 1994, 601 m.w.N.). Demgemäß ist es nicht ausgeschlossen, daß auch ein durch unlautere Machenschaften herbeigeführter Erwerb im Rahmen einer erbrechtlichen Auseinandersetzung den Tatbestand des § 1 Abs. 3 VermG erfüllen kann. Aber auch hierbei ist zu unterscheiden, ob ein Vermögenswert der Erbengemeinschaft oder nur der eines Miterben entzogen wurde. In einem Fall wie dem hier zu entscheidenden betrifft die Schädigung nur die vermögensrechtliche Position des Miterben.
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat der Rat der Gemeinde E. die Erbauseinandersetzung betrieben, um das streitbefangene Grundstück im Wege des gerichtlichen Verkaufs selbst erwerben zu können. Darin liegt eine den Tatbestand des § 1 Abs. 3 VermG erfüllende manipulative Ausnutzung der Treuhänderstellung. Denn der Antrag auf gerichtlichen Verkauf bezweckte nicht die Erbauseinandersetzung mit dem Ziel, die Erbengemeinschaft aufzuheben und das den Nachlaß bildende Grundstück einem der Erben zuzuordnen oder den erzielten Verkaufserlös auf die einzelnen Miterben aufzuteilen (vgl. § 2042 i.V.m. §§ 752 ff. BGB bzw. § 423 ZGB). Vielmehr hat sich der Rat der Gemeinde E. über seine Befugnisse als bloßer Verwalter des Erbanteils hinaus die Rechtsstellung eines Miterben angemaßt, um sich selbst unter Ausschaltung der Klägerin und der übrigen Miterben das Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen.
Dieses unlautere Vorgehen hat aber nicht die Erbengemeinschaft, sondern nur die Klägerin in ihrer Rechtsstellung als Miterbin geschädigt. Die durch den Antrag des staatlichen Verwalters bewirkte Aufhebung der Erbengemeinschaft ist für sich genommen noch keine Schädigung. Eine solche kann nur dann angenommen werden, wenn die Aufhebung zu einem den gesetzlichen Vorschriften widersprechenden Ergebnis geführt hat. So verhält es sich hier gerade nicht. Denn der Versuch des staatlichen Verwalters, das Eigentum unter Übergehen der Erbengemeinschaft zu erwerben, ist fehlgeschlagen. Durch die rechtskräftige und gemäß Art. 18 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrages wirksam gebliebene Entscheidung des Bezirksgerichts wurde der Miterbe Max U. Eigentümer des Grundstücks. Das Bezirksgericht hat damit dem in § 15 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 der Verordnung über die Vollstreckung in Grundstücke und Gebäude vom 18. Dezember 1975 vorgesehenen Vorrang des als Miteigentümer im Grundbuch eingetragenen und vorkaufsberechtigten Miterben Rechnung getragen. Die beiden anderen Miterben haben entsprechend § 26 Abs. 2 der genannten Verordnung den ihnen zustehenden Anteil am Verkaufserlös zugeteilt erhalten. Daß dabei der Erlösanteil der Klägerin unter staatliche Verwaltung gestellt wurde, war erneut eine allein das Vermögen der Klägerin betreffende Maßnahme.
Etwas anderes hätte möglicherweise dann zu gelten, wenn der Miterbe Max U. in einverständlichem Zusammenwirken mit dem Rat der Gemeinde E. gehandelt hätte, um die beiden anderen Miterben gezielt um die Möglichkeit eines Eigentumserwerbs zu bringen. Dies wird aber weder von der Klägerin behauptet noch gibt es hierfür einen Anhaltspunkt in den vorliegenden Akten. Schließlich führt auch der Einwand der Klägerin, sie sei gehindert gewesen, sich im Rahmen des durch unlautere Machenschaften eingeleiteten gerichtlichen Verkaufsverfahrens selbst um den Erwerb des Grundstücks zu bemühen, nicht zu einer anderen Beurteilung. Diese aus der Anordnung der staatlichen Verwaltung folgende rechtliche Beschränkung stellt sich nämlich wiederum nur als Schädigung ihres Erbanteils und nicht als Schädigung der Erbengemeinschaft dar. Ob die Klägerin wegen der Entziehung dieses Erbanteils die Einräumung von Bruchteilseigentum an dem Grundstück in Höhe von einem Drittel beanspruchen könnte, etwa unter Heranziehung der in § 3 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 1 a Satz 4 VermG enthaltenen Rechtsgedanken, kann offenbleiben, weil die Klägerin ihren darauf gerichteten ersten Hilfsantrag im Revisionsverfahren nicht mehr gestellt hat. Deshalb braucht auch die sich daran anschließende Frage nicht geprüft zu werden, ob ein derartiger Anspruch, falls er dem Grunde nach überhaupt bestehen kann, gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG ausgeschlossen wäre, weil der Miterbe Max U. in redlicher Weise Alleineigentum an dem streitbefangenen Grundstück erworben hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Franßen, Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer, Kley, Herbert
Fundstellen
Haufe-Index 1210942 |
ZIP 1995, 244 |