Entscheidungsstichwort (Thema)
Flugsicherungs-An- und Abflug-Gebühren-Verordnung. Luftverkehrsrecht. Luftfahrzeuge. zulässige Starthöchstmasse. Flugsicherung. Gebühren. Pauschalgebühr. Sichtflug. Instrumentenflug. Äquivalenzprinzip. Gleichheitssatz. Willkürverbot
Leitsatz (amtlich)
- Die Erhebung von Flugsicherungs-An- und Abflug-Gebühren nach der Gebührenverordnung vom 28. September 1989 (BGBl I S. 1809) – FlusAAGV – verstößt nicht gegen Bundesrecht (wie Urteil des erkennenden Senats vom heutigen Tage – BVerwG 11 C 12.95 –).
- Die Erhebung einer Pauschalgebühr für Luftfahrzeuge mit einer zulässigen Starthöchstmasse bis zu 2000 kg nach § 2 Abs. 2 FlusAAGV ist nicht deshalb rechtswidrig, weil sie nicht zwischen Sicht- und Instrumentenflug unterscheidet.
Normenkette
LuftVG § 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 14; FlusAAGV § 2 Abs. 2
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 06.07.1995; Aktenzeichen 5 UE 1989/94) |
VG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.12.1993; Aktenzeichen III/1 E 1551/91) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Juli 1995 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Flugsicherungs-An- und Abflug-Gebühren für die Monate Oktober 1990 und April 1991.
Der Kläger ist Eigentümer und Halter eines Fugzeuges mit einer zulässigen Starthöchstmasse unter 2000 kg. Mit Bescheid vom 20. November 1990 setzte die Bundesanstalt für Flugsicherung Gebühren für zwei Starts im Monat Oktober 1990 vom Flughafen Düsseldorf in Höhe von 24 DM, mit Bescheid vom 22. Mai 1991 für drei Starts im Monat April 1991 in Höhe von 36 DM fest. Gegen beide Bescheide legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, die Erhebung von Gebühren sei unzulässig. Insbesondere die Gebühr für Flugzeuge bis 2000 kg sei im Verhältnis zu größeren Flugzeugen unverhältnismäßig hoch.
Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Berufungsurteil ist im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Gebührenbescheide seien rechtmäßig. Sie seien nicht von EUROCONTROL, sondern von der Bundesanstalt für Flugsicherung erlassen worden, was sich bereits aus der äußeren Form der Bescheide ergebe. Ermächtigungsgrundlage für die Gebührenerhebung sei die Flugsicherungs-An- und Abflug-Gebühren-Verordnung vom 28. September 1989 (BGBl I S. 1809) – FlusAAV –, die von § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14 und Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 13 Satz 2 bis 4 LuftVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 1981 (BGBl I S. 61), geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 2. Februar 1984 (BGBl II S. 69), gedeckt sei. Diese Vorschriften verstießen nicht gegen Bundesrecht. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Nr. 6 GG erstrecke sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 95, 188) auch auf die streitige Gebührenerhebung. Diese halte sich im Rahmen der Art. 105 ff. GG; sie sei keine verdeckte Steuer oder unzulässige Sonderabgabe und verstoße weder gegen das Äquivalenzprinzip noch gegen den Gleichheitssatz. Art. 3 Abs. 1 GG verbiete nicht die Gebührenerhebung von Personen, die aus Sicherheitsgründen Leistungen der Flugsicherung in Anspruch nähmen. Die Gebührenberechnung nach der in § 2 Abs. 1 FlusAAGV enthaltenen Wurzelformel für Flugzeuge mit einer zulässigen Starthöchstmasse von mehr als 2000 kg sei rechtmäßig. Bedeutung und wirtschaftlicher Nutzen für die Halter von größeren Flugzeugen seien offensichtlich größer als bei kleineren Flugzeugen. Eine fast 14-fach höhere Gebühr für ein Luftfahrzeug mit 362,9 t (Boeing 747) berücksichtige die unterschiedlichen Verhältnisse ausreichend. Die gebührenrechtliche Gleichbehandlung von Sicht- und Instrumentenflug über 2000 kg Gesamtgewicht in der hier streitigen Erhebungszeit sei nicht rechtswidrig. Auch die Einheitsgebühr des § 2 Abs. 2 FlusAAGV für Flugzeuge unter 2000 kg zulässiger Starthöchstmasse sei nicht zu beanstanden. Der Verordnungsgeber habe die Flüge dieser Flugzeuge pauschal als Sichtflüge eingestuft und mit einer reduzierten Einheitsgebühr belegt. Er habe dabei berücksichtigt, daß die größte Zahl der Flüge in dieser Gewichtsklasse nur die Flugplatzkontrolle, nicht aber auch die Radarkontrolle und daher nur 40 % der sonstigen Dienstleistungseinheiten in Anspruch nähmen. Eine Benachteiligung der Sichtflüge in dieser Gruppe bis 2000 kg gegenüber dem Instrumentenflug scheide bereits deshalb aus. Die niedrige Einheitsgebühr sei angesichts der geringen Unterschiede zwischen verschieden schweren Flugzeugen in dieser Klasse aus Gründen der Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt. Die vom Kläger geltend gemachte Verfassungswidrigkeit der Gebührenerhebung könne nicht daraus hergeleitet werden, daß nach seiner Behauptung die Erhebungskosten höher seien als die Einnahmen aus den Pauschalgebühren. Auch aus der Zalung von Mineralölsteuer könne nicht auf die Rechtswidrigkeit der Gebührenerhebung geschlossen werden.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs. Das Berufungsgericht habe ihm keine Gelegenheit gegeben, zu der Wurzelfunktion der Gebührenformel in § 2 Abs. 1 FlusAAGV und der Frage der proportionalen Steigerung zu Lasten kleinerer Flugzeuge Stellung zu nehmen. Die angefochtenen Bescheide seien ferner unter Verletzung des Kostendeckungsprinzips ergangen. Die jährlich steigenden Kosten, die durch zu hohe Gehälter für die Fluglotsen und überzogenen Repräsentationsaufwand der Deutschen Flugsicherung GmbH entstünden, seien sachfremd und könnten nicht unkontrolliert auf die Gebühren umgelegt werden. Die angefochtenen Bescheide verletzten auch das Äquivalenzprinzip, denn in der Gebührenordnung werde bei Flugzeugen unter 2000 kg nicht zwischen Flügen nach Sicht- und Instrumentenflugregeln unterschieden. Zwar sei es richtig, daß die eigentlichen Kosten der Flugsicherung unabhängig davon entstünden, ob ein Sicht- oder Instrumentenflug stattfinde; sie seien aber praktisch ausschließlich vom Instrumentenflugverkehr der großen Flugzeuge veranlaßt.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide vom 20. November 1990 und vom 22. Mai 1991 sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 4. Juli 1991, das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt/Main vom 16. Dezember 1993 und das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Juli 1995 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet. Das Berufungsurteil verstößt nicht gegen Bundesrecht.
1. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs greift nicht durch. Ein solcher Verstoß kann in Betracht kommen, wenn das Urteil entscheidungserheblich auf einen Gesichtspunkt gestützt wird, mit dem die Beteiligten nach dem bisherigen Verfahrensverlauf nicht rechnen mußten und zu dem sie vorher nicht Stellung nehmen konnten. Haben im gerichtlichen Verfahren rechtliche Erwägungen hingegen bereits eine Rolle gespielt, bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keines (erneuten) Hinweises des Berufungsgerichts, auf welche Gesichtspunkte es voraussichtlich seine Entscheidung stützen werde und wie es eine bestimmte Norm auszulegen gedenke, zumal sich die genaue Begründung des Urteils und die dafür maßgeblichen Erwägungen oftmals erst aus der Beratung des Gerichts nach der mündlichen Verhandlung ergeben (vgl. etwa Beschlüsse vom 21. März 1989 – BVerwG 2 B 27.89 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 38 und vom 24. Juni 1994 – BVerwG 6 C 2.92 – Buchholz 11 Art. 103 Abs. 1 GG Nr. 42). Da die Rechtmäßigkeit sowohl der Gebührenberechnungsformel des § 2 Abs. 1 FlusAAGV als auch die der Pauschalgebühr des § 2 Abs. 2 FlusAAGV bereits im erstinstanzlichen Verfahren erörtert worden sind, liegt ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör nicht vor.
2. Das Berufungsurteil hält auch im übrigen einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.
Der erkennende Senat hat in seinem heutigen Urteil im Verfahren BVerwG 11 C 12.95 aus den dort im einzelnen dargelegten Gründen entschieden, daß die Flugsicherungs-An- und Abflug-Gebühren-Verordnung – FlusAAGV – vom 28. September 1989 (BGBl I S. 1809) von der Rechtsverordnungsermächtigung des § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14 i.V.m. Nr. 13 Satz 2 bis 4 LuftVG gedeckt und mit dem Grundgesetz vereinbar ist und daß insbesondere die Gebührenbemessungsformel des § 2 Abs. 1 FlusAAGV für Flugzeuge mit einer zulässigen Starthöchstmasse über 2000 kg weder gegen das Äquivalenzprinzip noch gegen den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit als spezielle Ausformung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Entschieden ist darin ferner, daß die Festsetzung von 2000 kg zulässiger Starthöchstmasse als Richtzahl für ansteigende Gebühren nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 FlusAAGV nicht willkürlich ist.
Auch die hier von der damaligen Bundesanstalt für Flugsicherung erhobene, vom Kläger beanstandete Einheitsgebühr des § 2 Abs. 2 FlusAAGV für Flugzeuge bis zu 2000 kg zulässiger Starthöchstmasse – in Höhe von 12 DM pro Abflug – ist mit Bundesrecht vereinbar. Das Berufungsgericht hat in seinem Urteil festgestellt, daß der Verordnungsgeber die Flüge der Flugzeuge bis 2000 kg deswegen pauschal mit einer reduzierten Einheitsgebühr belegt hat, weil er davon ausgegangen ist, daß die größte Zahl der Flüge in dieser Gewichtsklasse nur die Flugplatzkontrolle, nicht auch die Radarkontrolle in Anspruch nimmt und damit ein durchschnittlicher Aufwand von nur 40 % der sonstigen Dienstleistungseinheiten entsteht; eine Benachteiligung der Sichtflüge in dieser Gruppe gegenüber dem Instrumentenflug scheidet bereits deshalb aus. Das Vorbringen der Revision, es gebe auch in der Gruppe bis 2000 kg zahlreiche Flugzeuge, die für Instrumentenflugregeln ausgestattet seien, begründet keinen Verstoß gegen Bundesrecht. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Verordnungsgeber in den Grenzen des Willkürverbots eine weitgehende Gestaltungsfreiheit bei der Festlegung der Kriterien auch für eine Pauschalgebühr. Ob er die vernünftigste, zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, unterliegt nicht der verwaltungsgerichtlichen Prüfung. Pauschalierungen und Typisierungen können auch aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung in Betracht kommen und sind erst dann von der Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers nicht mehr gedeckt und verstoßen gegen den Gleichheitssatz, wenn ein einleuchtender Grund für eine vorhandene oder fehlende Differenzierung nicht mehr erkennbar ist und die getroffene Regelung willkürlich erscheint (vgl. BVerwGE 80, 36 ≪42≫; Beschluß vom 28. März 1995 – BVerwG 8 N 3.93 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 75). Dafür gibt es hier keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Auffassung der Revision, die Gebührenerhebung sei auch deshalb unzulässig, weil sie ausschließlich vom Instrumentenflugverkehr der großen Flugzeuge veranlaßt sei, läßt außer Betracht, daß nach den unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Flugsicherung auch für die Flugzeuge bis zu 2000 kg bereitgehalten wird und (auch) diese die Dienste der Flugsicherung aus Gründen der eigenen Sicherheit und der Sicherheit des Luftverkehrs insgesamt in Anspruch nehmen. Damit erbringt die Flugsicherung für einen speziellen, von der Allgemeinheit deutlich abgrenzbaren Personenkreis eine besondere Leistung, für die die An- und Abflug-Gebühr eine zulässige Gegenleistung darstellt (vgl. hierzu auch das Urteil des erkennenden Senats vom heutigen Tage im Verfahren BVerwG 11 C 12.95).
Die Rüge des Klägers, die Flugsicherung treibe überzogenen Aufwand und verstoße gegen das Kostendeckungsprinzip, bezieht sich mit ihren allgemeinen Darlegungen nicht auf die hier streitigen Erhebungsmonate Oktober 1990 und April 1991, sondern auf die erst nach der Änderung des Art. 87d Abs. 1 Satz 2 GG “privatisierte” Flugsicherung. Es bedarf daher keiner Entscheidung, welche Anforderungen an die hinreichende Darlegung eines Verstoßes gegen das Kostendeckungsprinzip wegen überhöhten Verwaltungsaufwands zu stellen wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Diefenbach, Prof. Dr. Bonk, Dr. Kugele, Kipp, Vallendar
Fundstellen