Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückübertragung an Erbengemeinschaft. Erbengemeinschaft. Erbanteil. Berechtigter, Erbengemeinschaft als. Grundstück, Begriff im Vermögensrecht. Buchgrundstück im Vermögensrecht. Überbau. Überschuldung im Vermögensrecht. Instandsetzungsmaßnahmen, notwendige. Grundstück, Wert von. Mieten, nicht kostendeckende. Vermietung von Gewerberäumen. Eigentumsverzicht wegen Überschuldung. Rückübertragung gewerblich vermieteter Grundstücke
Leitsatz (amtlich)
Die Rückübertragung eines Vermögenswerts ist auch dann möglich, wenn dieser im Schädigungszeitpunkt einer Erbengemeinschaft gehörte, an der ein volkseigener Anteil bestand.
Zu den bebauten Grundstücken im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG zählen Buchgrundstücke, die selbst keine baulichen Anlagen aufweisen, nur dann, wenn sie mit einem bebauten Nachbargrundstück eine Funktionseinheit in dem Sinne bilden, dass für die bestimmungsgemäße Nutzung eines der beiden Grundstücke das andere notwendig ist.
Für Zwecke der medizinischen Versorgung vermietete Gebäude sind unter den gleichen Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 2 VermG zurückzuübertragen wie zu gewerblichen Zwecken vermietete (im Anschluss an Urteil vom 22. Februar 2001 – BVerwG 7 C 17.00 – VIZ 2001, 374).
Normenkette
VermG § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 2a Abs. 1-2, 4, § 4 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 2032-2033, 2038 Abs. 1 S. 2, § 912
Verfahrensgang
VG Halle (Saale) (Entscheidung vom 29.03.2000; Aktenzeichen 1 A 1825/97 HAL) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 29. März 2000 wird aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat.
Die Sache wird insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die Kläger begehren die Rückübertragung des im Grundbuch von H., Band 392, Blatt 12 535, Bestandsnummer 4 337 unter Nr. 2 eingetragenen Grundstücks (im Folgenden „Gartengrundstück”). Dieses besteht aus dem Flurstück 16 der Flur 41 mit einer Größe von ca. 414 m², das als Garten genutzt wird, und dem zu einer Straße gehörenden Flurstück 16 der Flur 54 mit einer Größe von ca. 13 m². Das Grundstück grenzt an das im Grundbuch von H. am angegebenen Ort unter laufender Nr. 1 verzeichnete Grundstück (im Folgenden „Hausgrundstück”) an. Dieses besteht aus dem mit einem Haus bebauten Flurstück 17 der Flur 41 mit einer Größe von ca. 541 m² und dem zu einem Gehweg gehörenden Flurstück 15 der Flur 54 mit einer Größe von ca. 3 m². Beide Grundstücke grenzen unmittelbar an eine öffentliche Straße an. Zusammen bilden sie das Anwesen W.-K.-Straße 20.
Beide Grundstücke gehörten einer Erbengemeinschaft. Diese bestand seit 1976 aus den drei Klägern und deren Schwester D. L., deren Erbanteil staatlich verwaltet wurde. 1977 verkaufte der Staatliche Verwalter den Erbanteil von D. L. an das Eigentum des Volkes. Im selben Jahr wurde das Eigentum des Volkes an dem Erbanteil im Grundbuch eingetragen.
Nachdem der Mieter, eine Poliklinik, umfassende Reparaturmaßnahmen an dem Gebäude als notwendig bezeichnet hatte und dies durch die staatliche Bauaufsicht und das Gutachten eines Bauingenieurs bestätigt worden war, wurden die Grundstücke 1979 durch Eigentumsverzicht in Volkseigentum übernommen.
1990 beantragten die Kläger die Rückübertragung beider Grundstücke. Frau D. L. beantragte 1992 die Rückübertragung ihrer Eigentumsrechte an den Grundstücken. Mit Bescheid vom 6. Dezember 1994 übertrug die Beklagte das Hausgrundstück – mit Ausnahme des ca. 3 m² großen Flurstücks – aufgrund von § 1 Abs. 2 VermG an die Kläger zurück und lehnte die Rückübertragung des Gartengrundstücks ab. Mit weiterem Bescheid vom 7. Dezember 1994 übertrug die Beklagte einen Miteigentumsanteil von 3/16 an beiden Grundstücken an Frau D. L. zurück. Gegen den Bescheid vom 6. Dezember 1994 haben die Kläger insoweit Widerspruch erhoben, als darin ihr Antrag abgelehnt wird. Den Widerspruch wies das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 1997 zurück. Dagegen richtet sich die vorliegende Klage.
Mit einem weiteren – hier nicht streitgegenständlichen – Bescheid vom 24. September 1998 nahm die Beklagte den Bescheid vom 6. Dezember 1994 insoweit zurück, als darin das Hausgrundstück an die Kläger zurückübertragen worden war. Auch der Bescheid vom 7. Dezember 1994 wurde durch den Bescheid vom 24. September 1998 teilweise zurückgenommen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Rückübertragung sei wegen einer Erbauseinandersetzung rechtlich unmöglich geworden. Über die dagegen eingelegten Widersprüche ist noch nicht entschieden worden.
Mit Urteil vom 29. März 2000 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, an die Kläger in ungeteilter Erbengemeinschaft ihre Miteigentumsanteile an dem Flurstück 16 der Flur 41 zurückzuübertragen und hinsichtlich der Miteigentumsanteile der Kläger in ungeteilter Erbengemeinschaft an dem Flurstück 16 der Flur 54 festzustellen, dass die Kläger Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes sind. Hinsichtlich des Flurstücks 15 der Flur 54 hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht insbesondere ausgeführt: Das Gartengrundstück sei aufgrund von § 1 Abs. 2 VermG zurückzuübertragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei zwar grundsätzlich auf das Buchgrundstück abzustellen; zu den bebauten Grundstücken i.S. des § 1 Abs. 2 VermG zählten aber auch Buchgrundstücke, die, ohne selbst bauliche Anlagen aufzuweisen, für die bestimmungsgemäße Nutzung des bebauten Nachbargrundstücks notwendig seien. Dieser Rechtsprechung folge das Verwaltungsgericht grundsätzlich. Zwischen beiden Grundstücken bestehe ein funktionaler Zusammenhang: Eine gemeinsame Gartenmauer umschließe sie. Es liege – ebenso wie bei dem Nachbaranwesen, das ein einziges Grundstück sei – eine straßenseitig geschlossene Bauweise mit hinterliegenden Gartenflächen vor. Bei einer isolierten Rückübertragung des Hausgrundstücks werde die nach der Baunutzungsverordnung zulässige Grundflächenzahl überschritten. Auch in der Vergangenheit seien beide Grundstücke als Einheit behandelt worden. Dahinstehen könne deshalb, ob die Behauptung der Kläger, ein Teil des Hauses liege auf dem Gartengrundstück, zutreffe.
Auch habe im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts eine Überschuldung im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG unmittelbar bevorgestanden. Dem Einheitswert des Hausgrundstücks in Höhe von 46 300 Mark sei zunächst der Wert des Gartengrundstücks hinzuzurechnen. Dieser habe nicht dem Einheitswert von 8 200 Mark entsprochen. Vielmehr habe der tatsächliche Wert 1 bis 2 Mark/m² betragen. Demgegenüber stünden erhebliche Aufwendungen für die Wiederherstellung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs des Gebäudes. Dieser habe in der Nutzung als Poliklinik mit Bettenzimmern bestanden. Vor diesem Hintergrund seien gesteigerte Anforderungen an die Bewohnbarkeit des Gebäudes zu stellen. Erforderlich gewesen seien die im Gutachten eines Bauingenieurs aus dem Jahr 1978 genannten Maßnahmen in Höhe von ca. 38 000 Mark sowie weitere – in dem Urteil im Einzelnen genannte – Instandsetzungsmaßnahmen. Angesichts der dafür überschlägig nach den Erfahrungen des Gerichts anzusetzenden Kosten bestünden keine Zweifel an einer bevorstehenden Überschuldung.
Die Rückübertragung der Miteigentumsanteile an die ehemalige Erbengemeinschaft sei nicht wegen Unmöglichkeit i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG ausgeschlossen. Durch den Verkauf des Erbanteils von D. L. an das Eigentum des Volkes sei die Erbengemeinschaft nicht auseinander gesetzt worden, da diese Veräußerung nicht durch freien Willensentschluss der Beteiligten, sondern durch den Staatlichen Verwalter erfolgt sei. Eine Erbauseinandersetzung sei später auch nicht durch den Eigentumsverzicht erfolgt; denn die ursprüngliche Erbengemeinschaft sei insgesamt geschädigt worden. Dies sei nur in zwei Akten, nämlich dem Verkauf durch den Staatlichen Verwalter und dem Verzicht, erfolgt. Diese Akte bildeten jedoch im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine einheitliche Schädigungsmaßnahme. Durch die Restitution werde genau der Zustand wiederhergestellt, der ohne die Schädigung bestanden hätte, weil D. L. ihren Miteigentumsanteil durch den Bescheid vom 7. Dezember 1994 zurückübertragen erhalten habe und die Kläger mit Rechtskraft des Urteils ihre Anteile zurückerhielten.
Hinsichtlich des als Straße genutzten Flurstücks 16 der Flur 54 seien die Kläger aus den genannten Gründen zwar Berechtigte. Die Rückübertragung sei allerdings ausgeschlossen (§ 5 Abs. 1 Buchst. b VermG).
Die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten richtet sich gegen dieses Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 29. März 2000 insoweit aufzuheben, als es der Klage stattgegeben hat und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kläger treten der Revision entgegen und beantragten,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Beklagten ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat verkannt, wer im vorliegenden Fall Berechtigter (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VermG) ist (vgl. 1.). Auch geht das angefochtene Urteil unzutreffender Weise davon aus, es lägen die Voraussetzungen vor, unter denen ausnahmsweise ein unbebautes Grundstück zusammen mit einem bebauten Grundstück wegen einer Schädigung nach § 1 Abs. 2 VermG zurückzuübertragen ist (vgl. 2.). Schließlich ist die Annahme, das Hausgrundstück habe einer Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG unterlegen, bundesrechtswidrig (vgl. 3.). Da die tatsächlichen Feststellungen für eine abschließende Entscheidung nicht ausreichen, ist der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO, vgl. 4.).
1. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, an die drei Kläger in ungeteilter Erbengemeinschaft ihre Miteigentumsanteile an dem in der Gemarkung H. gelegenen Flurstück 16 der Flur 41 zurückzuübertragen und hinsichtlich der Miteigentumsanteile der Kläger in ungeteilter Erbengemeinschaft an dem Flurstück 16 der Flur 54 festzustellen, dass die Kläger Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes sind. Aus dem Tenor des Urteils geht nicht eindeutig hervor, ob das Flurstück 16 der Flur 41 an die Kläger in Erbengemeinschaft oder ob an jeden Kläger ein Miteigentumsanteil zurückübertragen werden soll. Gleiches gilt hinsichtlich der Verpflichtung zur Feststellung der Berechtigung. Was von beiden Inhalt des Urteils ist, kann jedoch dahinstehen. Weder sind die Kläger in Erbengemeinschaft Berechtigte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VermG) hinsichtlich des Grundstücks noch können die einzelnen Kläger Berechtigte hinsichtlich einzelner Miteigentumsanteile an dem Grundstück sein. Berechtigter im Sinne des Vermögensgesetzes ist derjenige, dessen Vermögenswert von einer Schädigungsmaßnahme betroffen ist, oder sein Rechtsnachfolger (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VermG). Mit dieser Regelung knüpft das Gesetz an die im Schädigungszeitpunkt bestehende zivilrechtliche Zuordnung des beanspruchten Vermögenswertes an (vgl. u.a. Urteil vom 19. März 1996 – BVerwG 7 C 30.94 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 16 S. 12 ≪13≫). Im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts befand sich das streitgegenständliche Grundstück im Eigentum einer Erbengemeinschaft, die aus den drei Klägern und dem Eigentum des Volkes bestand. Die Erbenstellung des „Eigentums des Volkes” war zuvor durch den Verkauf des Erbanteils von Frau D. L. begründet worden. Dieser Verkauf war eine Verfügung eines Miterben über seinen Anteil am Nachlass (§ 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB; das BGB galt im vorliegenden Fall noch, weil der Erbfall vor In-Kraft-Treten des ZGB am 1. Januar 1976 eingetreten war, vgl. §§ 1 und 8 Abs. 1 Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik vom 19. Juni 1975 ≪GBl I S. 517≫). Durch den Eigentumsverzicht kann deshalb nur diese Erbengemeinschaft als solche geschädigt worden sein. Ist aber eine Erbengemeinschaft geschädigt, ist eine Rückübertragung an diese und nur an diese möglich (§ 2 a Abs. 4 und Abs. 1 VermG). Das Nichtbestehen einer Erbengemeinschaft im Zeitpunkt der Rückübertragung schließt die Restitution nicht aus. Eine Erbengemeinschaft von Volkseigentum und privatem Erbanteil, die schädigungsbedingt beendet wurde, ist im Wege der Restitution wiederherzustellen (vgl. Beschluss vom 6. August 1999 – BVerwG 7 B 142.99 – VIZ 2000, 216 und Urteil vom 20. September 2001 – BVerwG 7 C 4.01 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Das Verwaltungsgericht ist des Weiteren zu dem Ergebnis gelangt, es könne offen bleiben, ob ein Teil des Gebäudes des Hausgrundstücks auf dem Gartengrundstück gelegen sei. Auch wenn dies nicht der Fall sei, sei das Gartengrundstück gemäß § 1 Abs. 2 VermG zurückzuübertragen. Insoweit verkennt das Urteil zunächst die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise auch unbebaute Buchgrundstücke zusammen mit einem bebauten Nachbargrundstück aufgrund von § 1 Abs. 2 VermG zurückzuübertragen sind.
§ 1 Abs. 2 VermG stellt auf das Buchgrundstück ab (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 23. Januar 1997 – BVerwG 7 C 2.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 101 S. 306). Ein solches Verständnis der Vorschrift entspricht dem Zweck des Schädigungstatbestandes. § 1 Abs. 2 VermG ermöglicht die Rückübertragung eines Mietwohngrundstücks, das deswegen in Volkseigentum übergegangen ist, weil aufgrund der durch die Niedrigmietenpolitik der DDR bedingten Überschuldung das weitere Festhalten am Eigentum wirtschaftlich sinnlos war. Eine derartige ökonomische Zwangslage des Eigentümers setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts u.a. voraus, dass die dem Grundstück zuzuordnenden Verbindlichkeiten den um die eingetragenen Grundpfandrechte verminderten Zeitwert der Immobilie überschritten haben. Da es in der DDR einen freien Grundstücksverkehr, in dem sich marktgerechte Verkehrswerte hätten herausbilden können, nicht gab und Mietshäuser mangels Rendite praktisch unverkäuflich waren, ist als Zeitwert der Wert zu Grunde zu legen, zu dem das Grundstück seinerzeit im Wege der Beleihung für eine Verschuldung hätte eingesetzt werden können. Mit Grundpfandrechten beleihbar war indessen allein das Buchgrundstück. Auch Gründe der Rechtssicherheit sprechen dafür, auf das Buchgrundstück abzustellen (vgl. Urteil vom 22. August 1996 – BVerwG 7 C 74.94 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 85 S. 256 ≪259 f.≫).
Ausnahmsweise zählen zu den bebauten Grundstücken im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG auch unbebaute Buchgrundstücke, die mit einem bebauten Nachbargrundstück eine Funktionseinheit in dem Sinne bilden, dass für die bestimmungsgemäße Nutzung eines der beiden Grundstücke das andere Grundstück notwendig ist (vgl. Urteil vom 5. März 1998 – BVerwG 7 C 13.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 141 S. 428 und Beschluss vom 13. März 2001 – BVerwG 8 B 266.00 – n.v.). Die bloße Verbindung mehrerer Grundstücke zu einer Wirtschaftseinheit genügt dafür nicht. Ebenso wenig reicht es aus, dass unbebaute Grundstücke der Nutzung eines bebauten Grundstücks vernünftigerweise zugeordnet sind, wie es der Begriff des „Dienens” im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB verlangt. Erforderlich ist vielmehr, dass eines der benachbarten Grundstücke für eine bestimmungsgemäße Nutzung der angrenzenden Flächen notwendig ist; denn in solchen Fällen führt eine isolierte Rückgabe des bebauten Grundstücks – soweit sie überhaupt rechtlich zulässig ist – zu Nutzungskonflikten, die nur mit den Notbehelfen des zivilen Nachbarrechts (§§ 912 ff. BGB) zu bewältigen sind (vgl. Urteil vom 5. März 1998 – BVerwG 7 C 13.97 – a.a.O. S. 429 f.).
Davon geht grundsätzlich auch das Verwaltungsgericht aus. Die von ihm angeführten Gründe ergeben aber nicht, dass das Gartengrundstück für die bestimmungsgemäße Nutzung des Hausgrundstücks notwendig ist. Dass die beiden Grundstücke aufgrund einer Gartenmauer und einer auf dem Gartengrundstück befindlichen Laube bei natürlicher Gesamtbetrachtung den Eindruck eines untrennbaren einheitlichen Zusammenhangs vermitteln, reicht hierfür nicht aus. Ebenso wenig genügt es, dass ein vergleichbares Nachbaranwesen aus einem einzigen Grundstück besteht und dass die beiden Grundstücke in der Vergangenheit als Einheit behandelt wurden. Unbeachtlich ist schließlich, dass sich das Anwesen nur bei einheitlicher Betrachtungsweise in den baulichen Zusammenhang der Umgebung einfügt und dass die zulässige Grundflächenzahl (§ 19 BauNVO) bei dem Hausgrundstück überschritten wird. Für eine bestimmungsgemäße Nutzung eines Altbaus ist es nämlich nicht erforderlich, dass dieser nach dem heutigen öffentlichen Baurecht materiell zulässig ist. Beide Grundstücke grenzen unmittelbar an öffentliche Straßen an. Die Nutzung des Gartens und der auf dem Gartengrundstück errichteten Parkplätze durch die Nutzer des Hausgrundstücks ist für diese sicher wünschenswert und sinnvoll, nicht aber notwendig. Umgekehrt ist für die Nutzung des selbstständig erschlossenen Gartengrundstücks auch nicht die Nutzung des Hausgrundstücks im dargelegten Sinne erforderlich. Allerdings ist das Gartengrundstück dann für die bestimmungsgemäße Nutzung der Hausgrundstücke notwendig, wenn – was noch aufzuklären ist – eine Überbauung vorliegt (vgl. 4 b).
3. Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, hinsichtlich des bebauten Grundstücks seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG gegeben, verletzt Bundesrecht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG dreierlei voraus: Erstens müssen für das bebaute Grundstück oder Gebäude in der Zeit vor dem Eigentumsverlust nicht kostendeckende Mieten erzielt worden sein. Diese Kostenunterdeckung muss zweitens zu einer bereits eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Überschuldung geführt haben. Drittens muss die Überschuldung wesentliche Ursache für den Eigentumsverlust gewesen sein (vgl. Urteil vom 2. Februar 2000 – BVerwG 8 C 25.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 7 S. 14 ≪17≫ m.w.N.). Zwischen den nicht kostendeckenden Mieten und der Überschuldung muss ebenso wie grundsätzlich zwischen Überschuldung und Eigentumsverlust eine ursächliche Beziehung bestehen.
Von der Erfahrungstatsache, dass die Niedrigmietenpolitik der DDR eine Kostenunterdeckung zur Folge hatte, kann bei Mietwohngrundstücken im Einzelfall so lange ausgegangen werden, wie sich nicht aus der konkreten Ertragssituation Gegenteiliges ergibt. Auch kann bei Mietwohngrundstücken vermutet werden, dass die nicht kostendeckenden Mieten die eingetretene oder unmittelbar bevorstehende Überschuldung verursacht haben (vgl. Urteil vom 11. Februar 1999 – BVerwG 7 C 4.98 – BVerwGE 108, 281 ≪283≫ = Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 1 S. 1 ≪3≫). Von der Erfahrungstatsache nicht kostendeckender Mieten und der Vermutung einer kausalen Beziehung zur Überschuldung des Grundstücks kann aber dann nicht ausgegangen werden, wenn Grundstücke gewerblich genutzt wurden (vgl. Urteile vom 22. Februar 2001 – BVerwG 7 C 17.00 – VIZ 2001, 374 ≪376≫ und vom 26. September 2001 – BVerwG 8 C 24.00 – zur Veröffentlichung in Buchholz unter 428 § 1 Abs. 2 VermG vorgesehen). Zwar ist der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG auch auf bebaute Grundstücke anwendbar, die zu gewerblichen Zwecken vermietet waren. Wie für alle Immobilien war nämlich auch für Gewerberäume der Mietzins staatlich so reglementiert, dass die Mieten in der Regel nicht kostendeckend waren. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass bei der privaten Vermietung gewerblich genutzter Räume Mieten vereinbart wurden, die über den zulässigen Stopppreisen lagen. Denn eine systemimmanente Mietpreiskontrolle, wie sie bei Wohnraum ausgeübt wurde, fehlte (vgl. Urteil vom 22. Februar 2001 – BVerwG 7 C 17.00 – a.a.O. S. 376 f.). Für die Vermietung eines Gebäudes an eine Klinik zur Nutzung für Zwecke der medizinischen Versorgung gilt grundsätzlich gleiches. Dass hier eine systemimmanente Mietpreiskontrolle existierte, ist nicht ersichtlich.
Die Prüfung der eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Überschuldung des Grundstücks erfordert eine Gegenüberstellung des Zeitwerts der Immobilie und der ihr zuzuordnenden Verbindlichkeiten (vgl. Urteil vom 11. Februar 1999 – BVerwG 7 C 4.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 1 S. 1 ≪4≫).
Ist ein unbebautes Grundstück zur bestimmungsgemäßen Nutzung des bebauten Nachbargrundstücks notwendig, müssen alle von dem Funktionszusammenhang erfassten Grundstücke als bebaut im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG angesehen werden (vgl. Urteil vom 5. März 1998 – BVerwG 7 C 13.97 – a.a.O. S. 430). Deshalb ist der Zeitwert, den diese Grundstücke zusammen haben, anzusetzen.
Zu den Verbindlichkeiten gehören insbesondere die Kosten der zum Zeitpunkt des Eigentumsverzichts unmittelbar und konkret bevorstehenden notwendigen Instandsetzungsarbeiten, soweit deren Unterlassung sich bei der Grundstückswertberechnung nicht schon wertmindernd ausgewirkt hat. Notwendig waren Instandsetzungsmaßnahmen dann, wenn in absehbarer Zeit die bestimmungsgemäße Nutzbarkeit des Hauses gefährdet oder ein weitaus größerer Sachschaden als Folge der unterbliebenen Reparatur zu erwarten gewesen wäre (vgl. u.a. Urteil vom 16. März 1995 – BVerwG 7 C 39.93 – BVerwGE 98, 87 ≪95 f.≫ = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 39 S. 86).
Mit dieser Rechtsprechung steht das angefochtene Urteil nicht in Einklang. Das Verwaltungsgericht hat nicht geprüft, ob für das bebaute Grundstück in der Zeit vor dem Eigentumsverlust nicht kostendeckende Mieten erzielt worden sind und ob diese kausal waren für die von ihm angenommene unmittelbar bevorstehende Überschuldung des Grundstücks. Ebenso wenig hat es geprüft, ob die angenommene unmittelbar bevorstehende Überschuldung wesentliche Ursache für den Eigentumsverlust gewesen ist.
Ob die Überschuldung des Grundstücks unmittelbar bevorstand, hat das Verwaltungsgericht zwar geprüft und bejaht. Die Ausführungen hierzu sind jedoch nur teilweise rechtlich zutreffend. Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass, wenn ein unbebautes Grundstück zur bestimmungsgemäßen Nutzung eines bebauten Grundstücks notwendig ist, die Werte beider Buchgrundstücke zu addieren sind. Es kann dahin stehen, ob das Verwaltungsgericht für das Hausgrundstück den Einheitswert, für das Gartengrundstück aber den weit unter dem Einheitswert liegenden tatsächlichen Wert ansetzen durfte. Jedenfalls kann für das Gartengrundstück nicht der Wert, den Gärten im Gebiet des Beklagten allgemein haben, zugrunde gelegt werden, wenn – was noch aufzuklären sein wird (vgl. 4.) – ein Teil des Gebäudes auf dem Gartengrundstück liegen sollte.
Dass unmittelbar bevorstehende notwendige Instandsetzungsmaßnahmen einen den Wert beider Grundstücke übersteigenden Kostenaufwand verursacht hätten, wird in dem verwaltungsgerichtlichen Urteil damit begründet, der bestimmungsgemäße Gebrauch des Gebäudes habe in der Nutzung als Poliklinik mit Bettenzimmern bestanden. Deshalb seien gesteigerte Anforderungen an die Bewohnbarkeit des Gebäudes zu stellen und umfangreiche – vom Verwaltungsgericht im Einzelnen genannte – Instandsetzungsmaßnahmen notwendig gewesen. Der bestimmungsgemäße Gebrauch des Gebäudes bestand aber nicht in der Nutzung als Poliklinik mit Bettenzimmern. Nach den vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Akten befand sich lediglich im Erdgeschoss eine Poliklinik. Der Akteninhalt spricht auch dafür, dass die Poliklinik – wie in der DDR üblich – zumindest überwiegend der ambulanten medizinischen Versorgung diente. Jedenfalls ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, es habe sich um eine Klinik mit Bettenzimmern gehandelt, durch den Akteninhalt nicht belegt.
4. Aus den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ergibt sich nicht, dass die Klage abzuweisen ist. Vielmehr ist eine abschließende Entscheidung des Senats nicht möglich. Deshalb ist der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO).
a) Berechtigter (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VermG) können hier – wie dargelegt – allein die drei Kläger und die Beklagte in Erbengemeinschaft sein. Die Rückübertragung des streitgegenständlichen Grundstücks begehren die drei Kläger in Erbengemeinschaft. Ebenso wie jeder Miterbe die Rückübertragung an die Erbengemeinschaft fordern kann (vgl. § 2039 Satz 1 BGB), können dies auch drei der vier Miterben gemeinschaftlich tun.
Die drei Kläger haben mit ihrer Klage ursprünglich die Rückübertragung an die aus vier Mitgliedern bestehenden Erbengemeinschaft begehrt. In der mündlichen Verhandlung haben sie dann zwar – möglicherweise auf Anregung des Gerichts (vgl. § 86 Abs. 3 VwGO) – beantragt, an sie in ungeteilter Erbengemeinschaft ihre Miteigentumsanteile an dem streitgegenständlichen Grundstück zurückzuübertragen. Nach einer Zurückverweisung können die Kläger ihren Antrag aber noch klarstellen und die Rückübertragung an sich und die Beklagte in Erbengemeinschaft beantragen. Eine Klageänderung (§ 91 VwGO) wäre dies nicht.
Da eine Rückübertragung an die Kläger und die Beklagte in Erbengemeinschaft möglich ist, ist die Rückübertragung – entgegen der Meinung der Beklagten – auch nicht von der Natur der Sache her nicht mehr möglich und deswegen nicht von vornherein ausgeschlossen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 VermG). Der Rückübertragung steht auch nicht entgegen, dass die Erbenstellung des Eigentums des Volkes ihrerseits durch eine schädigende Maßnahme (§ 1 Abs. 1 Buchst. c VermG) begründet worden war. Dies kann nur zur Folge haben, dass der Anteil der Beklagten an der Erbengemeinschaft an die insoweit Berechtigte zurückzuübertragen ist, was nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.
b) Des Weiteren steht nicht fest, dass das streitgegenständliche Grundstück nicht bebaut ist. Das Verwaltungsgericht hat ausdrücklich offen gelassen, ob ein Teil des Gebäudes des Hausgrundstücks auf dem Gartengrundstück gelegen ist. Wenn dies der Fall ist, ist das Gartengrundstück für die bestimmungsgemäße Nutzung des Hausgrundstücks notwendig (vgl. Urteil vom 5. März 1998 – BVerwG 7 C 13.97 – a.a.O. S. 431). Die sich aus dem Überbau ergebenden Konflikte könnten nämlich nur mit den Notbehelfen des zivilen Nachbarrechts (§§ 912 ff. BGB) bewältigt werden. Falls ein Überbau nicht positiv festgestellt werden kann, geht dies allerdings – nach den Regeln der materiellen Beweislast – zu Lasten der Kläger mit der Folge, dass die Klage abzuweisen ist.
c) Nur wenn das Gebäude teilweise auf dem Gartengrundstück steht, ist weiter entscheidungserheblich, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG vorliegen. Auch ob dies der Fall ist, lässt sich ohne ergänzende tatsächliche Feststellungen nicht abschließend beurteilen.
Unterschriften
Dr. Müller, Sailer, Krauß, Golze,Postier
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.10.2001 durch Jesert Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen