Verfahrensgang

Hessischer VGH (Beschluss vom 13.09.2004; Aktenzeichen 3 UE 396/03.A)

 

Tenor

Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. September 2004 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin begehrt ihre Anerkennung als Asylberechtigte und als Flüchtling.

Die im August 2002 in Deutschland geborene Klägerin ist – wie ihre im Verfahren BVerwG 1 C 33.04 ebenfalls Asyl begehrenden Eltern, die aus Syrien stammen – jezidische Glaubens- und kurdische Volkszugehörige. Ihren Asylantrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) ab, versagte Abschiebungsschutz und drohte die Abschiebung nach Syrien an. Ihrer Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Auf die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten hat der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Er hat ausgeführt, er entscheide über die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung gemäß § 130a VwGO durch Beschluss; die Beteiligten seien hierzu gehört worden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a GG und auf Abschiebungsschutz für politisch Verfolgte nach § 51 Abs. 1 AuslG. Auch seien Anhaltspunkte für Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 4 und 6 AuslG weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Mit der hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde hat die Klägerin geltend gemacht, sie sei entgegen den Ausführungen in der Berufungsentscheidung nicht nach § 130a Satz 2 VwGO angehört worden. Ihrer Prozessbevollmächtigten seien lediglich Schreiben vom 7. April 2004 und vom 28. April 2004 sowie der Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 2. August 2004 zugegangen. Ihr sei jedoch zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt worden, dass der Verwaltungsgerichtshof beabsichtige, nach § 130a VwGO zu entscheiden. Darin liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Nichtzulassungsbeschwerde abgeholfen und die Revision wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch versehentliches Unterlassen der vorgeschriebenen Anhörung zugelassen.

Mit der Revision wiederholt die Klägerin ihren Vortrag im Beschwerdeverfahren und macht zusätzlich geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe das rechtliche Gehör noch aus weiteren Gründen verletzt. So habe er ihren Vortrag, sie sei staatenlose Kurdin, der der syrische Staat die Wiedereinreise verweigere, mit unzutreffender Begründung nicht weiter geprüft. Auch habe sich das Berufungsgericht mit dem Vorbringen zu einer mittelbaren Gruppenverfolgung der Jeziden in Syrien nicht hinreichend auseinander gesetzt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Senat kann mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Revision ist begründet.

Der angefochtene Beschluss, der im sog. vereinfachten Berufungsverfahren ohne mündliche Verhandlung nach § 130a VwGO ergangen ist, ist bereits deshalb aufzuheben, weil – wie die Revision zu Recht geltend macht und das Berufungsgericht in seiner Abhilfeentscheidung selbst eingeräumt hat – die für eine solche Verfahrensweise notwendige Anhörung der Klägerin entgegen § 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 2 VwGO versehentlich unterblieben ist. Insbesondere ist die Klägerin weder durch das Schreiben des Berichterstatters vom 7. April 2004 (GA Bl. 102) noch durch das weitere Schreiben des Gerichts vom 28. April 2004 (GA Bl. 107) zu einer Entscheidung im vereinfachten Berufungsverfahren angehört worden. Das Unterlassen der zur Wahrung des rechtlichen Gehörs gesetzlich vorgesehenen Anhörung nach § 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 2 VwGO stellt einen Verfahrensmangel und absoluten Revisionsgrund gemäß § 138 Nr. 3 VwGO dar. Die angefochtene Berufungsentscheidung muss deshalb aufgehoben und die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen werden (vgl. § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 137 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3, § 138 Nr. 3 VwGO). Auf die im Revisionsverfahren weiter erhobenen Rügen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs kommt es danach nicht mehr an.

Zur Förderung des weiteren Verfahrens und zu der Rüge in der Revisionsbegründung (unter II., S. 3) bemerkt der Senat, dass der Verwaltungsgerichtshof dem Vortrag der Klägerin dazu, dass sie und ihre Eltern nicht syrische Staatsangehörige, sondern staatenlose Kurden seien, grundsätzlich nachgehen muss (vgl. insbesondere Urteil vom 8. Februar 2005 – BVerwG 1 C 29.03 – InfAuslR 2005, 339, 341; Urteil vom 22. Februar 2005 – BVerwG 1 C 17.03 – ≪juris, dort Rn. 11≫; beide zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen und Urteil vom 12. April 2005 – BVerwG 1 C 3.04 – ≪juris≫). Dies gilt unabhängig davon, dass für das vorliegende Verfahren – anders als im Verfahren der Eltern – der Vorwurf nicht zutrifft, der Verwaltungsgerichtshof habe in der Berufungsentscheidung (angeblich BA S. 10) die Behauptung, die Klägerin sei staatenlose Kurdin, der der syrische Staat die Wiedereinreise verweigere, ohne weitere Prüfung zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung ist der Schlussentscheidung vorzubehalten. Der Gegenstandswert für das Revisionsverfahren ergibt sich aus § 30 RVG.

 

Unterschriften

Eckertz-Höfer, Hund, Richter, Beck, Prof. Dr. Dörig

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1452014

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