Rz. 4
Der Wegfall eines Bedachten kann "vor oder nach dem Erbfall" erfolgen. Der Wegfall vor dem Erbfall ist insbesondere bei Verzicht (§ 2352 BGB), Tod (§ 2160 BGB) oder Totgeburt der Leibesfrucht gegeben. § 2160 BGB wird insoweit durch § 2158 BGB verdrängt. Das Vermächtnis bleibt wirksam; es fällt dem anderen Vermächtnisnehmer zu. Ebenfalls kann der Eintritt einer auflösenden Bedingung zum Wegfall des Bedachten führen. Nach dem Erbfall kann das Vermächtnis entfallen durch Ausschlagung (§§ 2180 Abs. 3, 1953 Abs. 1 BGB), Anfechtung wegen Vermächtnisunwürdigkeit nach § 2345 BGB, Anfechtung nach § 2078 BGB wegen Irrtums oder Drohung oder Nichterleben einer Bedingung (§ 2177 BGB i.V.m. § 2074 BGB). Wird das Vermächtnis nach den §§ 2162, 2163 BGB wegen Zeitablaufs nicht wirksam, steht dies dem Wegfall eines Bedachten gleich.
Rz. 5
Steht das Vermächtnis unter einer aufschiebenden Bedingung oder einem Anfangstermin, gilt: Mit dem Ablauf von 30 Jahren – beginnend mit dem Erbfall – kommt es zum Wegfall des Bedachten, wenn die Bedingung oder der Termin noch nicht eingetreten ist (§ 2161 Abs. 1 BGB) oder der Bedachte bis dahin noch nicht erzeugt oder das Ereignis, durch das er bestimmt werden soll, nicht stattgefunden hat (§ 2162 Abs. 2 BGB). Der Bedachte kann als Vermächtnisnehmer auch bereits früher wegfallen, weil feststeht, dass die aufschiebende Bedingung oder ein Termin nicht mehr eintreten wird. Bei der aufschiebenden Bedingung entsteht der Anspruch erst mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung. Die Verjährung dieses Anspruchs richtet sich dann nach der Regelverjährung der §§ 195, 199 BGB.
Rz. 6
Ist das Vermächtnis unter einer auflösenden Bedingung oder einem Endtermin vermacht, entfällt es, wenn die Bedingung oder der Endtermin eintritt. Tritt die auflösende Bedingung in der Person nur eines Vermächtnisnehmers ein, führt dies dazu, dass dem anderen Vermächtnisnehmer ab diesem Zeitpunkt ein höherer Anteil an dem vermachten Gegenstand zusteht. Es kommt ebenfalls zu einer Anwachsung des Vermächtnisses in dem Fall, dass das Vermächtnis auf die Lebenszeit mehrerer Vermächtnisnehmer beschränkt ist und einer von ihnen vorverstirbt. Das RG hat im Fall der Zuwendung einer lebenslänglichen Nutznießung am Nachlass durch mehrere § 2158 BGB angewendet. Sofern das Vermächtnis aber nicht auf die Lebenszeit der Vermächtnisnehmer beschränkt ist, führt der Tod eines Vermächtnisnehmers nach dem Vermächtnisanfall (§§ 2176–2178 BGB) nicht zur Anwachsung. Der Anteil des verstorbenen Vermächtnisnehmers am Vermächtnisgegenstand steht sodann seinen Erben zu.