Gesetzestext
Für die Zeit zwischen dem Erbfall und dem Anfall des Vermächtnisses finden in den Fällen der §§ 2177, 2178 die Vorschriften Anwendung, die für den Fall gelten, dass eine Leistung unter einer aufschiebenden Bedingung geschuldet wird.
A. Allgemeines/Normzweck
Rz. 1
Der Gesetzgeber wollte den nach den §§ 2177, 2178 BGB mit einem hinausgeschobenen Anfall des Vermächtnisses Bedachten nicht schutzlos lassen. Während der Schwebezeit sollen deshalb die Vorschriften Anwendung finden, die für den Fall gelten, dass eine Leistung unter einer aufschiebenden Bedingung geschuldet wird. Es soll die aufschiebende Bedingung oder die befristete Position geschützt werden, woraus sich ergibt, dass der Schutz nicht über den eines anspruchsberechtigten Vermächtnisnehmers hinausgehen kann.
B. Tatbestand
I. Voraussetzungen
Rz. 2
Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 2179 ist ein Schwebezustand zwischen Erbfall und Vermächtnisanfall, weil entweder ein Fall des § 2177 BGB oder ein Fall des § 2178 BGB vorliegt. Im Falle eines gestundeten Vermächtnisses findet § 2179 BGB keine Anwendung. In diesen Fällen, in denen die Fälligkeit des Anspruchs des Vermächtnisnehmers ab dem Erbfall besteht, kann auf die allgemeinen Schutzmechanismen (Arrest, einstweilige Verfügung, Auflassungsvormerkung bei Grundstücken) zurückgegriffen werden.
Ebenfalls findet § 2179 BGB keine Anwendung auf auflösend bedingte oder befristete Vermächtnisse.
II. Anwendbare Vorschriften
Rz. 3
§ 2179 BGB verweist auf die Vorschriften, die für den Fall gelten, dass eine Leistung unter einer aufschiebenden Bedingung geschuldet wird.
Es greift somit zunächst die Haftung des Beschwerten nach § 160 Abs. 1 BGB, wenn während der Schwebezeit das von der Bedingung abhängige Recht des Vermächtnisnehmers durch das Verschulden des Beschwerten vereitelt oder beeinträchtigt wird. Den grundsätzlichen Haftungsmaßstab nach § 276 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Erblasser modifizieren. Der Beschwerte haftet zudem für seine Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB). Handeln Dritte, die weder Beschwerte noch Erfüllungsgehilfen des Beschwerten sind, kommt die Abtretung des dem Beschwerten zustehenden Ersatzanspruchs nach § 285 BGB in Betracht.
Im Rahmen von § 2179 BGB ist auch § 162 BGB anwendbar. Wird der Eintritt der Bedingung von dem Beschwerten zum Nachteil des Vermächtnisnehmers wider Treu und Glauben vereitelt, gilt die Bedingung als eingetreten (§ 162 Abs. 1 BGB); entsprechend gilt, dass, wenn der Bedachte die Bedingung wider Treu und Glauben herbeiführt, das Vermächtnis nicht anfällt (§ 162 Abs. 2 BGB).
Rz. 4
Bei der Anwendbarkeit von § 161 BGB, der vor Zwischenverfügung schützt, ist zu differenzieren. Überwiegend wird vertreten, dass § 161 nicht anwendbar ist. Die Vorschrift betrifft keine aufschiebend bedingte Verbindlichkeit, sondern eine aufschiebend bedingte Verfügung. Hat der Beschwerte den Vermächtnisgegenstand bedingt an den Bedachten übereignet, ist § 161 BGB anwendbar. Dies gilt allerdings unabhängig von § 2179 BGB, zu dem insoweit kein Zusammenhang besteht, im Falle jeder bedingten Übereignung.
Rz. 5
Im Falle einer aufschiebenden Befristung (§ 163 BGB) gilt das Vorstehende entsprechend.
Rz. 6
Die Anwendbarkeit von § 159 BGB ist unabhängig von § 2179 BGB zu sehen. Eine Rückbeziehung kann sich aufgrund ausdrücklicher Anordnung im Testament oder aus dessen Auslegung ergeben. Der Umfang des Herauszugebenden richtet sich dann nach § 2184 BGB.
III. Rechtsstellung des Bedachten
Rz. 7
Sowohl zwischen dem Erbfall und dem Eintritt oder dem Ausfall der Bedingung bzw. dem Eintritt des Endtermins hat der Bedachte eine geschützte Rechtsposition. Es entsteht eine Anwartschaft. Diese ist unter dem Vorbehalt des § 2074 BGB vererblich und auch unter Lebenden formlos nach § 398 BGB übertragbar. Sie ist auch pfändbar und kann verpfändet werden. Es handelt sich bei der Anwartschaft auf ein Vermächtnis auch um verwertbares Vermögen i.S.v. § 27 BAföG. Das Vermächtnis kann vor dem Erbfall nicht ausgeschlagen oder angenommen werden (§ 2180 Abs. 2 S. 2 BGB). Nach dem Erbfall und vor dem Anfall des Vermächtnisses ist dieses jedoch gem. §§ 1946, 2142 Abs. 1 BGB möglich. Möglich ist auch ein Erlassvertrag (§ 397 BGB) nach dem Erbfall. Er kann aber nicht über den Vermächtnisanspruch desjenigen disponieren, der bei Ausfall der Bedingung an die Stelle des zunächst Bedachten tritt.
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