Dr. iur. Sebastian Trappe, Dr. iur. Pierre Plottek
Rz. 39
Bei Zweifeln an der Testierfähigkeit, insbesondere aber bei Krankenhaustestamenten, ist das Gespräch mit dem behandelnden Arzt zu suchen. Denn eine Entscheidung setzt grundsätzlich die sorgfältige Ermittlung des medizinischen Befundes voraus. Dem steht jedoch die auf Art. 12 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 53 Abs. 1 Nr. 3 StVO beruhende ärztliche Schweigepflicht entgegen. Diese besteht im Regelfall auch nach dem Tod des Patienten im gleichen Umfang fort, wie sie bei dessen Lebzeiten bestanden hat. Dies bedeutet insbesondere, dass Angehörige nach dem Tod des Erblassers den behandelnden Arzt grundsätzlich auch nicht von seiner Schweigepflicht entbinden können.
Rz. 40
Es bleibt daher in diesen Fällen nichts anderes, als mit dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen zu arbeiten. Da insoweit Testierfähigkeit vermutet wird, besteht ein Anhaltspunkt für den mutmaßlichen Willen des verstorbenen Erblassers an einer Befreiung des Arztes von der Schweigepflicht erst dann, wenn ansonsten von der Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung auszugehen wäre. Die abweichende Ansicht des BGH, wonach schon "die Aufklärung von Zweifeln an der Testierfähigkeit im wohlverstandenen Interesse des Erblassers liegt", steht mit der Vermutung zugunsten der Testierfähigkeit und damit der Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung nicht in Einklang und geht m.E. zu weit. So nämlich wird ein Beharren auf der Schweigepflicht "eher zur Ausnahme" als zur Regel. Auch dann aber ist eine konkrete Interessenabwägung zwischen dem Interesse des verstorbenen Erblassers an der möglichen Sicherung seiner letztwilligen Verfügung und einer Aufdeckung seines medizinischen Befunds geboten.
Rz. 41
Bei der Prüfung der Testierfähigkeit auftretende Fragen aus dem medizinischen Bereich werden grundsätzlich erst aufgrund von Zeugenaussagen und ggf. von Sachverständigengutachten entschieden, schon um dem Vorwurf fehlerhafter Ermessensausübung zu entgehen.