Raymond Halaczinsky, Ulrich Gohlisch
Rz. 64
Der Nachlass haftet bis zur Erbauseinandersetzung (§ 2042 BGB) für die Steuer der am Erbfall Beteiligten (§ 20 Abs. 3 ErbStG). Mit "Nachlass" muss man wohl nach dem allgemeinen Sprachgebrauch das gesamte aktive und passive Vermögen eines Verstorbenen verstehen. § 20 Abs. 3 ErbStG begründet eine Sachhaftung des Nachlasses bis zu dessen Teilung. Die Vorschrift enthält damit eine Sicherungsmaßnahme zugunsten der Finanzbehörde. Letztlich geht es darum, dass die Erben bis zur vollständigen Erbauseinandersetzung eine Vollstreckung in den Nachlass wegen Ansprüchen aus dem Erbschaftsteuerschuldverhältnis eines Erben dulden müssen.
Rz. 65
Es ist davon auszugehen, dass zu den am Erbfall Beteiligten auch die Personen zählen, die am Nachlass teilhaben, insb. auch Vermächtnisnehmer und Pflichtteilsberechtigte. Der Wortlaut ist allerdings unklar.
Rz. 66
Aus der Formulierung "der Nachlass haftet" wird deutlich, dass der Nachlass nicht Steuerschuldner, sondern Haftungsschuldner wird. Es handelt sich dabei kraft Gesetzes um keine persönliche Haftung, sondern um eine Sachhaftung, man spricht auch von dinglicher Haftung, die sicherstellen soll, dass das im Nachlass gebundene Vermögen der Miterben Haftungsgrundlage für die Erbschaftsteuer bleibt. Letztlich geht es darum, dass die Erben bis zur vollständigen Erbauseinandersetzung eine Vollstreckung in den Nachlass wegen Ansprüchen aus dem Erbschaftsteuerschuldverhältnis eines Erben dulden müssen.
Rz. 67
Die Haftung besteht nur so lange, wie die Erbengemeinschaft noch besteht und der Nachlass noch ungeteilt ist, d.h. bis zur Auseinandersetzung (§ 2042 BGB). Nach § 2042 BGB kann jeder Erbe jederzeit die Auseinandersetzung verlangen, soweit sich nicht nach §§ 2043–2045 BGB etwas anderes ergibt. Auseinandersetzung ist die Verteilung der Nachlassgegenstände unter den Miterben nach Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten. Durch diese Verteilung wird das Alleineigentum eines jeden Miterben an dem ihm bei der Teilung zugewiesenen Vermögen begründet und die nach dem Erbfall entstandene Erbengemeinschaft aufgehoben. Der Verkauf eines Erbanteils oder eine Teilauseinandersetzung beenden die gesamthänderische Verbundenheit noch nicht. Wenn die Auseinandersetzung erfolgt ist, endet die Haftung, weil es danach als ungerecht angesehen wird, wenn ein Erbe noch für die persönliche Erbschaftsteuerschuld eines Miterben aufzukommen hat. Im Interesse einer Vermeidung der Nachlasshaftung kann/sollte die Auseinandersetzung möglichst zügig durchgeführt werden.
Rz. 68
Wie die Haftung des Nachlasses geltend zu machen ist, ist im ErbStG nicht geregelt. Die Nachlasshaftung ist in entsprechender Anwendung der §§ 77 und 191 AO mit einem Duldungsbescheid gegenüber denjenigen durchzusetzen, die den Nachlass in ungeteiltem Besitz haben. Die Haftung kann dann durch Verwertung des Nachlasses verwirklicht werden.
Nach § 20 Abs. 3 ErbStG besteht keine Verpflichtung des Finanzamts, umfangreiche Ermittlungen zum Bestand des Nachlasses und zum eigenen Vermögen des Erben anzustellen. Grds. können auch die am Erbfall Beteiligten in Anspruch genommen werden. Für die subsidiäre Inanspruchnahme des Haftungsschuldners ist ausreichend, dass die Finanzbehörde zu der Annahme gelangt, dass eine Vollstreckung ohne Erfolg sein wird. Bei der Inanspruchnahme des Haftungsschuldners besteht ein (Entschließungs-)Ermessen, eine Verpflichtung zur Inanspruchnahme besteht grds. nicht. Der/Die Erbe(n) hat/haben kein subjektives Recht auf ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung darüber, ob nicht statt ihrer der Nachlass als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen ist. Bei der Inanspruchnahme des Nachlasses nach § 20 Abs. 3 ErbStG besteht ein (Entschließungs-)Ermessen, so dass grds. keine Verpflichtung zur vorrangigen Inanspruchnahme besteht.
Rz. 69
Veräußert ein Miterbe vor Auseinandersetzung einen Nachlassgegenstand, bleibt er auch nach der Veräußerung Schuldner der Erbschaftsteuer nach § 20 Abs. 1 ErbStG. Der Erwerber haftet daneben nach § 20 Abs. 3 ErbStG bis zur Auseinandersetzung mit dem erworbenen Erbteil, selbst wenn im Innenverhältnis zwischen Käufer und Miterben etwas anderes geregelt sein mag. Dies gilt auch bei Ausübung des Vorkaufsrechts der Miterben nach § 2034 BGB.