Rz. 37
Durch die Bestimmung eines Nachvermächtnisses wendet der Erblasser einen Vermögensgegenstand zeitlich nacheinander verschiedenen Personen zu. Der Erblasser kann dabei den Eintritt des Nachvermächtnisfalls vom Eintritt eines bestimmten Ereignisses oder eines Zeitablaufs abhängig machen. Der Herausgabeanspruch des Nachvermächtnisnehmers richtet sich dabei gegen den Vorvermächtnisnehmer und nicht gegen den eigentlichen Erben, sofern dieser den Gegenstand bereits an den Vorvermächtnisnehmer herausgegeben hat. In zivilrechtlicher Hinsicht leidet das Nachvermächtnis unter einer gewissen Schwäche gegenüber der Nacherbschaft. Der Nacherbschaftsanfall vollzieht sich automatisch vom Vorerben auf den Nacherben, ohne dass es eines Erfüllungsaktes oder Erfüllungsverlangens bedarf. Der Nachvermächtnisnehmer hingegen ist darauf angewiesen, dass der Vorvermächtnisnehmer ihm den Vermächtnisgegenstand herausgibt. Gelegentlich wird deshalb versucht, durch die Einrichtung einer Testamentsvollstreckung zu erreichen, dass die Weitergabe des Vermächtnisgegenstandes vom Vorvermächtnisnehmer auf den Nachvermächtnisnehmer erfolgen kann. Kritisch ist dabei, dass eine bis zum Eintritt des Nachvermächtnisfalls angeordnete Testamentsvollstreckung in Form einer Dauervollstreckung eigentlich erlischt. In der Literatur wird aber mit der Hilfskonstruktion argumentiert, dass nach § 2223 BGB der Testamentsvollstrecker auch ernannt werden kann, um die Beschwerungen eines Vermächtnisnehmers zu erfüllen. Für die Gestaltung einer unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten erfolgten Nachvermächtnisregelung ist diese zivilrechtliche Regelung zur Umsetzung der Erfüllung zu berücksichtigen.
Rz. 38
Der Nachvermächtnisnehmer ist nur dann auch Ersatzvermächtnisnehmer, sofern dies vom Erblasser ausdrücklich nach § 2190 BGB bestimmt wurde. Da die Ausgestaltung des Nachvermächtnisses der Nacherbschaft ähnelt, hat der Steuergesetzgeber in § 6 Abs. 4 ErbStG das Nachvermächtnis der Nacherbschaft steuerrechtlich gleichgestellt.
Rz. 39
In § 6 Abs. 4 ErbStG ist neben dem Nachvermächtnis auch das auf den Tod des Beschwerten zeitlich hinausgeschobene Vermächtnis geregelt. Dieses Vermächtnis ist ein Vermächtnis, welches keinen Vorvermächtnisnehmer kennt. Der Vermächtnisgegenstand geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1923 BGB auf den Erben (Beschwerten) über. Und lediglich die Regelung, dass das Vermächtnis erst fällig wird, wenn der Erbe verstorben ist und sich damit der Erfüllungsanspruch nach § 2174 BGB gegen den Erben richten kann, lässt es als besondere Vermächtnisgestaltung erscheinen.
Rz. 40
In den ErbStR 2019 findet sich auch hinsichtlich der Vermächtnisse und Auflagen, die beim Tod des Beschwerten fällig werden, eine Klarstellung:
Erbschaftsteuerrechtlich sind Nachvermächtnisse (§ 2191 Abs. 1 BGB) und Vermächtnisse oder Auflagen, die mit dem Tod des Beschwerten fällig werden, den Nacherbschaften gleichgestellt und damit abweichend vom Bürgerlichen Recht als Erwerb vom Vorvermächtnisnehmer oder Beschwerten und nicht als Erwerb vom Erblasser zu behandeln (§ 6 Abs. 4 ErbStG). Ein solcher Fall ist insbesondere gegeben, wenn die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament mit gegenseitiger Erbeinsetzung bestimmen, dass ihren ansonsten zu Schlusserben eingesetzten Kindern beim Tod des erstversterbenden Elternteils Vermächtnisse zufallen sollen, die erst beim Tod des überlebenden Elternteils fällig werden. Die Vermächtnisse sind als Erwerb vom überlebenden Elternteil zu versteuern. Folglich liegt insoweit weder beim Tod des erstversterbenden noch beim Tod des überlebenden Ehegatten eine die jeweilige Bereicherung durch Erbanfall mindernde Vermächtnislast nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG vor; beim Tod des überlebenden Ehegatten ist jedoch eine Erblasserschuld nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig. Entsprechendes gilt auch, wenn in einem sog. Berliner Testament (§ 2269 BGB) – um nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen durch die zu Schlusserben eingesetzten gemeinschaftlichen Kinder zu verhindern – bestimmt wird, dass den Kindern, die den Pflichtteil nicht fordern, als Erwerb vom erstversterbenden Elternteil ein Vermächtnis im Wert des Pflichtteils zufallen soll, das erst mit dem Tod des überlebenden Elternteils fällig wird (sog. Jastrow‘sche Klausel). Für Nachvermächtnisse und beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse und Auflagen findet § 6 Abs. 2 S. 2–5 ErbStG entsprechende Anwendung.