Rz. 154
Als Schenkung gilt des Weiteren, was als Abfindung für aufschiebend bedingt, betagt oder befristet erworbene Ansprüche, soweit es sich nicht um einen Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG handelt, vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses gewährt wird.
Rz. 155
Entsprechend der Regelung in § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG bei vorzeitiger Herausgabe des Nacherbschaftsvermögens soll auch § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG die Besteuerungslücke schließen, die entsteht, wenn Vermögensgegenstände in Vorwegnahme des Bedingungseintritts als Abfindung an den Begünstigten übertragen werden. Denn die unentgeltliche Zuwendung eines bedingt, betagt oder befristeten Anspruchs ist erst mit Bedingungseintritt steuerpflichtig (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG, vgl. § 9 ErbStG Rdn 19). Wird nun im Vorfeld auf die Zuwendung verzichtet und erhält der Verzichtende dafür eine Abfindung, kann es – mangels möglichem Bedingungseintritt – ohne den Ergänzungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG nicht mehr zu einer Schenkungsteuer kommen.
Beispiel
Als Beispiel ist auf die unwiderrufliche Einräumung eines Bezugsrechtes einer Lebensversicherung zu verweisen, bei der der Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts des Versicherungsfalles steht. Verzichtet der Begünstigte gegen Zahlung einer Abfindung auf die Auszahlung der Versicherungssumme, bevor der Versicherungsfall eingetreten ist, greift als Ersatztatbestand § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG ein.
Rz. 156
Voraussetzung ist jedoch, dass ohne den Verzicht bei regulärem Bedingungseintritt ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorgelegen hätte. Denn die Abfindung tritt insoweit nur an die Stelle der ansonsten bei Bedingungseintritt gegebenen Zuwendung. Irrelevant ist dagegen, ob der Zuwendende selbst oder ein Dritter die Abfindung an den Verzichtenden leistet.
Rz. 157
§ 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG ist lex specialis gegenüber § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG und erfasst das Vermögen, das als Abfindung für ein aufschiebend bedingtes, betagtes oder befristetes Vermächtnis, für das die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist, vor dem Bedingungseintritt gewährt wird (vgl. § 3 ErbStG Rdn 95). Der Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung fällt bereits unter § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG. Handelt es sich noch um eine bloße Erwerbschance und nicht schon um einen aufschiebend bedingten, betagten oder befristeten Anspruch, greift § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG ebenfalls nicht ein.
Rz. 158
Nicht unter § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG fallen überdies die Abfindung, die der Vertragserbe für den Verzicht auf seinen Herausgabeanspruch nach § 2287 BGB oder für die Aufhebung des Erbvertrages gemäß § 2299 BGB erhält. Tatbestandsmäßig kann aber der Verzicht auf Optionsrechte sein, wie z.B. die Option auf Erwerb eines Gesellschaftsanteils.