Bei dem Nachvermächtnis handelt es sich um eine besondere Form des Untervermächtnisses, welches aufschiebend bedingt oder befristet den Vermächtnisnehmer beschwert, vgl. § 2191 Abs. 1 BGB.
Vor- und Nachvermächtnis sind ebenso wie die Vor- und Nacherbfolge typische Instrumente der Nachlasserhaltung in der Generationenfolge. Auch wenn gemäß § 2191 Abs. 2 BGB die für die Einsetzung eines Nacherben geltenden Vorschriften auch auf den Nachvermächtnisnehmer Anwendung finden, unterscheiden sich beide Rechtsinstitute deutlich. Während der Nacherbe zu einem bestimmten Zeitpunkt dinglicher Berechtiger an dem Nachlass wird, steht dem Nachvermächtnisnehmer lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch zu, der noch im Wege eines gesonderten Rechtsgeschäfts zu erfüllen ist.
Ebenfalls ist die dingliche Surrogation nach § 2211 BGB nicht auf das Nachvermächtnis übertragbar. Schutz erfährt der Bedachte jedoch im Rahmen der §§ 281 Abs. 1, 280 BGB.
Der Vorteil des Nachvermächtnisses gegenüber der Nacherbfolge liegt darin, dass eine gegenständliche Begrenzung auf einzelne Nachlassgegenstände möglich ist. Es ist also das Mittel der Wahl, um einen bestimmten Gegenstand in der Generationenfolge zu halten.
Gleichfalls ist der Vorvermächtnisnehmer nicht den Beschränkungen einer Vorerbschaft unterworfen, was ihm größere Freiheiten gegenüber dem Nachvermächtnisnehmer gewährt. Die Anordnung des Nachvermächtnisses dient hierbei grundsätzlich nur dem Zweck, den Vermächtnisgegenstand der Erbfolge (z. B. beim Geschiedenentestament) zu entziehen.
Typische Anwendungsfälle für das Nachvermächtnis sind (neben dem Geschiedenentestament) das Behindertentestament und das Testament zugunsten überschuldeter Abkömmlinge. Es geht bei der Gestaltung solcher Testamente darum die Rechtsposition des zunächst Bedachten zu schwächen und den Zweitbedachten vor Verfügungen weitestgehend zu schützen.
2.2.2.1 Behinderte Abkömmlinge
Beim sog. Behindertentestament lassen sich Vor- undNachvermächtnis und das Vorausvermächtnis miteinander kombinieren, um die Risiken zu vermeiden, welche entstehen, wenn dem Behinderten letztwillig zu wenig zugewendet wird.
Formulierungsbeispiel
Bedingtes Vorausvermächtnis und Vorvermächtnis für das behinderte Kind in einem Ehegattentestament
Jeder von uns beiden (Anm.: d. h. den Eheleuten) beschwert auf seinen Tod die jeweiligen Miterben unseres behinderten Sohnes ... mit folgendem, bedingtem Vorausvermächtnis: Soweit unserem behinderten Sohn beim jeweiligen Erbfall wegen lebzeitiger Zuwendungen des Erblassers an andere Personen Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Nachlass oder den Beschenkten zustehen, haben die Miterben dem behinderten Sohn einen baren Geldbetrag zu zahlen. Die Höhe dieses Geldvermächtnisses bestimmt sich nach der Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs.
Der behinderte Sohn ist für dieses Geldvermächtnis nur Vorvermächtnisnehmer. Nachvermächtnisnehmer sind seine etwa vorhandenen Abkömmlinge, ersatzweise die Nacherben, die ein jeder von uns vorstehend eingesetzt hat, gemäß ihren dort bestimmten Anteilen. Die Anwartschaft des Nachvermächtnisnehmers ist weder vererblich noch übertragbar.
Das Nachvermächtnis fällt mit dem Tod unseres behinderten Sohnes an. Die bis dahin zu ziehenden Nutzungen stehen dem Vorvermächtnisnehmer zu und dürfen nur in derselben Weise verwendet werden wie die Erträge seines Miterbanteils.
Zur Sicherung der vorstehend angeordneten Verwendung der Nutzungen ordnet jeder von uns Nachvermächtnisvollstreckung an, für welche die vorstehend getroffenen Bestimmungen über die Testamentsvollstreckung am Miterbenanteil unseres behinderten Sohnes gelten.
Das vorstehend angeordnete Vorausvermächtnis ist einschließlich Nachvermächtnis dadurch auflösend bedingt, dass der behinderte Sohn seinen ihm zugewendeten Miterbenanteil ausschlägt oder ihm zustehende Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend macht.
Zwar sind viele Fragen im Zusammenhang mit dem Vor- und Nachvermächtnis beim Behindertentestament strittig, jedoch dürfte aufgrund der diversen Entscheidungen des BGH zur Zulässigkeit von den Sozialhilferegressen ausschließenden Lösungen auch dieser Weg unbedenklich sein, soweit nicht die Standardlösung über die nicht befreite Vorerbschaft gewünscht ist.
Rechtsfragen betreffend der Gestaltung eines Behindertentestaments werden unter Tz. 2.7. ausführlich erörtert.
2.2.2.2 Überschuldete Abkömmlinge
Ein weiterer Anwendungsfall des Vor- und Nachvermächtnisses ist das Testament zugunsten überschuldeter Abkömmlinge. Der Erblasser kann gem. § 2338 Abs. 1 Satz 1 BGB verfügen, dass der verschwenderische oder überschuldete Abkömmling nur Vorvermächtnisnehmer und dessen gesetzliche Erben Nachvermächtnisnehmer werden. Zudem kann nach...