Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Freier Kapitalverkehr. Straßenverkehr. Zulassung und Besteuerung von Kraftfahrzeugen. Fahrer mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat. Fahrzeug, das in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist. Fahrzeug, das kurzzeitig unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird. Verpflichtung, im Fahrzeug stets den Nachweis über die rechtmäßige Nutzung dieses Fahrzeugs mitzuführen. Verhältnismäßigkeit
Normenkette
Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; AEUV Art. 63
Beteiligte
Tenor
Art. 63 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach sich eine dort wohnhafte Person für ein Fahrzeug, das ihr von dessen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Halter unentgeltlich kurzzeitig zur Verfügung gestellt wurde und dort zugelassen ist, nur dann auf eine Ausnahme von der in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat geltenden Zulassungspflicht berufen kann, wenn die Dokumente, die belegen, dass die betroffene Person die Voraussetzungen für diese Ausnahme erfüllt, stets im Fahrzeug mitgeführt werden, ohne dass die Möglichkeit besteht, diese nachzureichen.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend drei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Gericht Erster Instanz Eupen (Belgien) mit Entscheidungen vom 6. Januar 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Januar 2020, in den Verfahren
DQ (C-41/20),
FS (C-42/20),
HU (C-43/20)
gegen
Wallonische Region
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan, der Richterin C. Toader und des Richters N. Jääskinen (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 20, 21, 45, 49, 56, 63 und 64 AEUV.
Rz. 2
Sie ergehen im Rahmen dreier Rechtsstreitigkeiten zwischen DQ, FS bzw. HU und der Wallonischen Region (Belgien) wegen einer aufgrund eines Verstoßes gegen die nationale Regelung betreffend die Inbetriebnahme eines Fahrzeugs im Königreich Belgien gegen sie verhängten Geldbuße und der Zahlung der Steuern, die in dieser Regelung für die Nutzung eines in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugs durch die betroffenen Personen mit Wohnsitz in Belgien, das ihnen unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde, vorgesehen sind.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Gemäß Art. 3 § 1 des Königlichen Erlasses vom 20. Juli 2001 über die Zulassung von Fahrzeugen (Moniteur belge vom 8. August 2001, S. 27022) in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Königlicher Erlass vom 20. Juli 2001) müssen in Belgien wohnhafte Personen Fahrzeuge, die sie in Belgien in Betrieb nehmen möchten, in das Fahrzeugverzeichnis eintragen lassen, auch wenn diese Fahrzeuge bereits im Ausland zugelassen sind.
Rz. 4
Art. 3 § 2 Nr. 6 dieses Königlichen Erlasses bestimmt:
„In folgenden Fällen ist die Zulassung in Belgien von Fahrzeugen, die im Ausland zugelassen sind und von den in § 1 erwähnten Personen in Betrieb genommen werden, nicht Pflicht. Diese Fälle betreffen:
…
Nr. 6
… das Fahrzeug, welches einer natürlichen in § 1 erwähnten Person für höchstens einen Monat kostenlos zur Verfügung gestellt wird; ein durch den ausländischen Inhaber ausgestelltes Dokument, aus dem hervorgeht, dass dieser die Erlaubnis erteilt, das Fahrzeug während eines bestimmten Zeitraums unter Angabe des Enddatums zu benutzen, ist im Fahrzeug mitzuführen”.
Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen
Rechtssache C-41/20
Rz. 5
Am 6. Juli 2017 musste sich DQ, der in Eupen (Belgien) wohnt, aus privaten Gründen nach Aachen (Deutschland) begeben. Er lieh sich dafür ein in Deutschland zugelassenes Fahrzeug, das einer in Deutschland wohnhaften Bekannten gehört.
Rz. 6
DQ wurde auf belgischen Straßen vom Öffentlichen Dienst der Wallonie (SPW, Belgien) kontrolliert, als er am Steuer dieses Fahrzeugs saß. Bei dieser Kontrolle konnte er das nach dem Königlichen Erlass vom 20. Juli 2001 erforderliche Dokument nicht vorlegen, das bestätigen sollte, dass der gebietsfremde Halter dieses Fahrzeugs die Erlaubnis zu dessen Nutzung während eines begrenzten Zeitraums von höchstens einem Monat erteilt hat (im Folgenden: Nachweis der vorübergehenden Nutzung).
Rz. 7
Infolge dieser Kontrolle stellten die zuständigen Finanzbehörden des SPW in einem Protokoll den Verstoß gegen den Königlichen Erlass vom 20. Juli 2001 fest und setzten gegen DQ Verkehrsteuer, Zuschlagszehntel hierauf, Zulassungsteuer und einen Ökomalus sowie eine Geldbuße aufgrund dieses Verstoßes fest. Dementsprechend wurde DQ ein Gesamtbetrag von 1 926,72 Euro auferlegt.
Rz. 8
Am 12. Juli 2017 übermittelte DQ der zuständigen Behörde einen Nachweis der vorübergehenden Nutzung, aus dem hervorging, dass ihm die Halt...