Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Gerichtliche Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Streitigkeiten über dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen. Auskehrung vor dem Eigentumsübergang gezogener Nutzungen einer vermieteten oder verpachteten Sache
Normenkette
Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 53 Abs. 2, Art. 99; Lugano-II Art. 22 Nr. 1
Beteiligte
Tenor
Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 des am 30. Oktober 2007 unterzeichneten Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, das im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2009/430/EG des Rates vom 27. November 2008 genehmigt wurde, ist dahin auszulegen, dass eine vom Erwerber einer unbeweglichen Sache erhobene, auf die Zahlung eines Betrags, den der Verkäufer als Mietzins von einem Dritten zu einem Zeitpunkt erhalten hat, zu dem auf den Erwerber bereits der Genuss der Sache übergegangen war, er aber nach dem einschlägigen nationalen Recht noch nicht das Eigentum an ihr erworben hatte, gerichtete Klage nicht zu den Klagen, „welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben”, im Sinne dieser Bestimmung gehört.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Amtsgericht Kamenz (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. November 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Dezember 2018, in dem Verfahren
MC
gegen
ND
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter A. Rosas und L. Bay Larsen,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 53 Abs. 2 und Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des am 30. Oktober 2007 unterzeichneten Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, das im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2009/430/EG des Rates vom 27. November 2008 (ABl. 2009, L 147, S. 1) genehmigt wurde (im Folgenden: Lugano-II-Übereinkommen).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen MC, der eine in Deutschland belegene Immobilie erworben hat, und ND, dem in der Schweiz wohnhaften Verkäufer dieser Immobilie, über den nach Abschluss des Kaufvertrags von einem Dritten, dem Mieter der Immobilie, an ND gezahlten Mietzins.
Rechtlicher Rahmen
Lugano-II-Übereinkommen
Rz. 3
Das Lugano-II-Übereinkommen ist zwischen der Europäischen Union und der Schweizerischen Eidgenossenschaft am 1. Januar 2011 in Kraft getreten (ABl. 2011, L 138, S. 1).
Rz. 4
Art. 2 Abs. 1 des Lugano-II-Übereinkommens lautet:
„Vorbehaltlich der Vorschriften dieses Übereinkommens sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen.”
Rz. 5
In Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens heißt es:
„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates hat, kann in einem anderen durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat verklagt werden:
1. a) wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;
…”
Rz. 6
Art. 22 Nr. 1 des Übereinkommens bestimmt:
„Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschließlich zuständig:
1. für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist.
Jedoch sind für Klagen betreffend die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum vorübergehenden privaten Gebrauch für höchstens sechs aufeinander folgende Monate auch die Gerichte des durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, sofern es sich bei dem Mieter oder Pächter um eine natürliche Person handelt und der Eigentümer sowie der Mieter oder Pächter ihren Wohnsitz in demselben durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat haben”.
Unionsrecht
Rz. 7
Die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1) ist eine parallel zum Lugano-II-Überein...