Entscheidungsstichwort (Thema)
Humanarzneimittel. Ergänzendes Schutzzertifikat. Bedingungen für die Erteilung des Zertifikats. Bestehen zusätzlicher oder anderer Kriterien für ein Medikament, das mehr als einen Wirkstoff enthält, oder für einen Impfstoff gegen mehrere Krankheiten (‚Kombinationsimpfstoff’). Begriff ‚durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschütztes Erzeugnis’. Kriterien. Verordnung (EG) Nr. 469/2009 Art. 3
Normenkette
EuGH-VerfO Art. 104
Beteiligte
University of Queensland und CSL |
Comptroller General of Patents, Designs and Trade Marks |
Tenor
1. Art. 3 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel ist dahin auszulegen, dass er es den für den gewerblichen Rechtsschutz zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats verwehrt, ein ergänzendes Schutzzertifikat für Wirkstoffe zu erteilen, die in den Ansprüchen des Grundpatents, auf das die betreffende Anmeldung gestützt wird, nicht genannt sind.
2. Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 469/2009 ist dahin auszulegen, dass er es den für den gewerblichen Rechtsschutz zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats, sofern auch die anderen in diesem Artikel festgelegten Bedingungen erfüllt sind, nicht verwehrt, ein ergänzendes Schutzzertifikat für einen Wirkstoff zu erteilen, der in den Ansprüchen des geltend gemachten Grundpatents genannt ist, wenn das Arzneimittel, dessen Genehmigung für das Inverkehrbringen zur Stützung der Anmeldung des ergänzenden Schutzzertifikats vorgelegt wird, nicht nur diesen Wirkstoff enthält, sondern auch weitere Wirkstoffe.
3. Bei einem Grundpatent für ein Verfahren zur Herstellung eines Erzeugnisses verbietet es Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009, ein ergänzendes Schutzzertifikat für ein anderes Erzeugnis als dasjenige zu erteilen, das in den Ansprüchen dieses Patents als das durch das fragliche Herstellungsverfahren gewonnene Erzeugnis bezeichnet ist. Ob das Erzeugnis unmittelbar durch dieses Verfahren gewonnen werden kann, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Patents Court) (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 14. Dezember 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Dezember 2010, in dem Verfahren
University of Queensland,
CSL Ltd
gegen
Comptroller General of Patents, Designs and Trade Marks
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot sowie der Richterin A. Prechal, des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūunas,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: A. Calot Escobar,
gemäß Art. 104 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wonach der Gerichtshof durch mit Gründen versehenen Beschluss entscheiden kann,
nach Anhörung der Generalanwältin
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ABl. L 152, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der University of Queensland und der CSL Ltd (im Folgenden: University of Queensland) einerseits und dem Comptroller General of Patents, Designs and Trade Marks (im Folgenden: Patent Office) andererseits über dessen Zurückweisung der von der University of Queensland eingereichten Anmeldungen ergänzender Schutzzertifikate (im Folgenden auch: ESZ).
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 1 und 4 bis 10 der Verordnung Nr. 469/2009 lauten:
„(1) Die Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel [ABl. L 182, S. 1] wurde mehrfach und erheblich geändert … Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit empfiehlt es sich, die genannte Verordnung zu kodifizieren.
…
(4) Derzeit wird durch den Zeitraum zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein neues Arzneimittel und der Genehmigung für das Inverkehrbringen desselben Arzneimittels der tatsächliche Patentschutz auf eine Laufzeit verringert, die für die Amortisierung der in der Forschung vorgenommenen Investitionen unzureichend ist.
(5) Diese Tatsache führt zu einem unzureichenden Schutz, der nachteilige Auswirkungen auf die pharmazeutische Forschung hat.
(6) Es besteht die Gefahr, dass die in den Mitgliedstaaten gelegenen Forschungszentren nach Ländern verlagert werden, die einen größeren Schutz bieten.
(7) Auf Gemeinschaftsebene sollte eine einheitliche Lösung gefunden werden, um auf diese Weise einer heterogenen Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften vorzubeugen, die neue Unterschiede zur Folge hätte, welche geeignet wären, den freien Verkehr von Arzneimitteln innerhalb der Gemeinschaft zu behindern und dadurch das Funk...