Entscheidungsstichwort (Thema)
Humanarzneimittel. Ergänzendes Schutzzertifikat. Verordnung (EG) Nr. 469/2009. Art. 3. Bedingungen für die Erteilung des Zertifikats. Begriff ‚durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschütztes Erzeugnis’. Kriterien. Bestehen zusätzlicher oder anderer Kriterien für ein Medikament, das mehr als einen Wirkstoff enthält, oder für einen Impfstoff gegen mehrere Krankheiten (‚Kombinationsimpfstoff’)
Beteiligte
Georgetown University u.a |
Loyola University of Chicago |
Comptroller General of Patents, Designs and Trade Marks |
Tenor
Art. 3 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel ist dahin auszulegen, dass er es, sofern auch die anderen in diesem Artikel festgelegten Bedingungen erfüllt sind, den für den gewerblichen Rechtsschutz zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats nicht verwehrt, ein ergänzendes Schutzzertifikat für einen in den Ansprüchen des geltend gemachten Grundpatents genannten Wirkstoff zu erteilen, wenn das Arzneimittel, dessen Genehmigung für das Inverkehrbringen zur Stützung der Anmeldung des ergänzenden Schutzzertifikats vorgelegt wird, nicht nur diesen Wirkstoff enthält, sondern auch weitere Wirkstoffe.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Patents Court) (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 19. Juli 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 27. August 2010, in dem Verfahren
Georgetown University,
University of Rochester,
Loyola University of Chicago
gegen
Comptroller General of Patents, Designs and Trade Marks
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot sowie der Richterin A. Prechal, des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Georgetown University, der University of Rochester und der Loyola University of Chicago, vertreten durch J. Miles als Bevollmächtigten im Beistand von D. Alexander, QC,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und P. Antunes als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Bulst und J. Samnadda als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. Juli 2011
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ABl. L 152, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Georgetown University, der University of Rochester und der Loyola University of Chicago einerseits und dem Comptroller General of Patents, Designs and Trade Marks (im Folgenden: Patent Office) andererseits über dessen Zurückweisung einiger der von den Universitäten eingereichten Anmeldungen ergänzender Schutzzertifikate (im Folgenden auch: ESZ).
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 1 und 4 bis 10 der Verordnung Nr. 469/2009 lauten:
„(1) Die Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel [ABl. L 182, S. 1] wurde mehrfach und erheblich geändert … Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit empfiehlt es sich, die genannte Verordnung zu kodifizieren.
…
(4) Derzeit wird durch den Zeitraum zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein neues Arzneimittel und der Genehmigung für das Inverkehrbringen desselben Arzneimittels der tatsächliche Patentschutz auf eine Laufzeit verringert, die für die Amortisierung der in der Forschung vorgenommenen Investitionen unzureichend ist.
(5) Diese Tatsache führt zu einem unzureichenden Schutz, der nachteilige Auswirkungen auf die pharmazeutische Forschung hat.
(6) Es besteht die Gefahr, dass die in den Mitgliedstaaten gelegenen Forschungszentren nach Ländern verlagert werden, die einen größeren Schutz bieten.
(7) Auf Gemeinschaftsebene sollte eine einheitliche Lösung gefunden werden, um auf diese Weise einer heterogenen Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften vorzubeugen, die neue Unterschiede zur Folge hätte, welche geeignet wären, den freien Verkehr von Arzneimitteln innerhalb der Gemeinschaft zu behindern und dadurch das Funktionieren des Binnenmarktes unmittelbar zu beeinträchtigen.
(8) Es ist deshalb notwendig, ein [ESZ] für Arzneimittel, deren Vermarktung genehmigt ist, vorzusehen, das der Inhaber eines nationalen oder europäischen Patents unter denselben Voraussetzungen in jedem Mitgliedstaat erhalten kann. Die Verordnung ist deshalb die geeign...