Entscheidungsstichwort (Thema)
Freier Warenverkehr. Art. 28 EG und 30 EG. Art. 11 und 13 des EWR-Abkommens. Eingeführte Arzneimittel, die im Einfuhrstaat nicht zugelassen sind. Werbeverbot. Richtlinie 2001/83/EG
Beteiligte
Ludwigs-Apotheke München Internationale Apotheke |
Juers Pharma Import-Export GmbH |
Tenor
Ein Werbeverbot wie das in § 8 des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens ist nicht anhand der Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der zuletzt durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 geänderten Fassung über die Werbung, sondern anhand der Art. 28 EG und 30 EG sowie der Art. 11 und 13 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 zu beurteilen. Art. 28 EG und Art. 11 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum stehen einem solchen Verbot entgegen, soweit es für die Übersendung von Listen nicht zugelassener Arzneimittel an Apotheker gilt, deren Einfuhr aus einem anderen Mitgliedstaat oder aus einem dritten Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nur ausnahmsweise zulässig ist und die keine anderen Informationen als die über den Handelsnamen, die Verpackungsgrößen, die Wirkstärke und den Preis dieser Arzneimittel enthalten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Landgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 3. März 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 17. März 2006, in dem Verfahren
Ludwigs-Apotheke München Internationale Apotheke
gegen
Juers Pharma Import-Export GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter K. Schiemann (Berichterstatter), J. Makarczyk und J.-C. Bonichot sowie der Richterin C. Toader,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Ludwigs-Apotheke München Internationale Apotheke, vertreten durch Rechtsanwalt W. Rehmann,
- der Juers Pharma Import-Export GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt A. Meisterernst,
- der polnischen Regierung, vertreten durch E. Osniecka-Tamecka und T. L. Krawczyk als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch C. Gibbs als Bevollmächtigte im Beistand von S. Lee, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Stromsky und B. Schima als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 86 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67) in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (ABl. L 136, S. 34) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Ludwigs-Apotheke München Internationale Apotheke (im Folgenden: Ludwigs-Apotheke) und der Juers Pharma Import-Export GmbH (im Folgenden: Juers Pharma) wegen der Versendung von Listen von in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimitteln an Apotheken durch Juers Pharma.
Rechtlicher Rahmen
Richtlinie 2001/83
3 Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 bestimmt:
„Diese Richtlinie gilt für Humanarzneimittel, die in den Mitgliedstaaten in den Verkehr gebracht werden sollen und die entweder gewerblich zubereitet werden oder bei deren Zubereitung ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt.”
4 Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:
„Ein Mitgliedstaat kann gemäß den geltenden Rechtsbestimmungen in besonderen Bedarfsfällen Arzneimittel von den Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie ausnehmen, die auf eine nach Treu und Glauben aufgegebene Bestellung, für die nicht geworben wurde, geliefert werden und die nach den Angaben eines zugelassenen Angehörigen der Gesundheitsberufe hergestellt werden und zur Verabreichung an einen bestimmten Patienten unter seiner unmittelbaren persönlichen Verantwortung bestimmt sind.”
5 Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie lautet:
„Ein Arzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats nach dieser Richtlinie eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde oder wenn eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 [des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Be...