Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie 97/81/EG. Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit. Gleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten. Berechnung der für einen Anspruch auf Altersversorgung erforderlichen Zeiten. Nichtberücksichtigung arbeitsfreier Zeiträume. Diskriminierung
Beteiligte
Istituto nazionale della previdenza sociale (INPS) |
Tenor
1. Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit ist in Bezug auf Altersversorgung dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die bei Beschäftigten mit zyklisch-vertikaler Teilzeitarbeit arbeitsfreie Zeiträume bei der Berechnung der für den Erwerb eines Anspruchs auf Altersversorgung erforderlichen Zeiten nicht berücksichtigt, es sei denn, eine solche Ungleichbehandlung ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt.
2. Für den Fall, dass das vorlegende Gericht zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass die in den Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung mit Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81 unvereinbar ist, sind Paragraf 1 und Paragraf 5 Nr. 1 dieser Rahmenvereinbarung dahin auszulegen, dass sie einer solchen Regelung ebenfalls entgegenstehen.
Tatbestand
In den verbundenen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Corte d’appello di Roma (Italien) mit Entscheidungen vom 11. April 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 12. September 2008, in den Verfahren
Istituto nazionale della previdenza sociale (INPS)
gegen
Tiziana Bruno,
Massimo Pettini (C-395/08)
und
Istituto nazionale della previdenza sociale (INPS)
gegen
Daniela Lotti,
Clara Matteucci (C-396/08)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin P. Lindh (Berichterstatterin) sowie der Richter A. Rosas, A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Istituto nazionale della previdenza sociale (INPS), vertreten durch A. Sgroi, avvocato,
- von Frau Bruno und Herrn Pettini sowie von Frau Lotti und Frau Matteucci, vertreten durch R. Carlino, avvocato,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. Bruni als Bevollmächtigte im Beistand von M. Russo, avvocato dello Stato,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Cattabriga und M. van Beek als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 21. Januar 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl. 1998, L 14, S. 9, berichtigt im ABl. 1998, L 128, S. 71, im Folgenden: Richtlinie 97/81).
Rz. 2
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Istituto nazionale della previdenza sociale (im Folgenden: INPS) einerseits und Frau Bruno und Herrn Pettini sowie Frau Lotti und Frau Matteucci andererseits wegen der bei der Berechnung von Ansprüchen auf Altersversorgung berücksichtigungsfähigen Zeiten.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Mit der Richtlinie 97/81 soll nach ihrem Art. 1 die am 6. Juni 1997 zwischen den europäischen Sozialpartnern – nämlich der Union der Industrie- und Arbeitgeberverbände Europas (UNICE), dem Europäischen Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft (CEEP) und dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) – geschlossene Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit, die im Anhang dieser Richtlinie enthalten ist (im Folgenden: Rahmenvereinbarung), durchgeführt werden.
Rz. 4
Der dritte Erwägungsgrund der Richtlinie 97/81 lautet:
„Nummer 7 der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer sieht unter anderem Folgendes vor: ‚Die Verwirklichung des Binnenmarktes muss zu einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft führen. Dieser Prozess erfolgt durch eine Angleichung dieser Bedingungen auf dem Wege des Fortschritts und betrifft namentlich andere Arbeitsformen als das unbefristete Arbeitsverhältnis, wie das befristete Arbeitsverhältnis, Teilzeitarbeit, Leiharbeit und Saisonarbeit’.”
Rz. 5
Im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 97/81 heißt es:
„Entsprechend den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Essen sind Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigung und Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern sowie Maßnahmen zur Steigerung der Beschäftigungsintensität des Wachstums, insbesondere durch eine flexiblere Organisation der Arbeit, die sowohl den Wünschen der Arbeitnehmer als auch den Erfordernissen des Wettbewerbs gerecht wird, erforderlic...