Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Gerichtliche Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Ausschließliche Zuständigkeit für Verfahren, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben. Besondere Zuständigkeit, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Klage eines Wohnungseigentümers gegen einen anderen Wohnungseigentümer auf Unterlassung der touristischen Nutzung eines Wohnungseigentumsobjekts
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 24 Nr. 1, Art. 7 Nr. 1 Buchst. a
Beteiligte
Ellmes Property Services Limited |
Tenor
1. Art. 24 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass die Klage eines Wohnungseigentümers, mit der einem anderen Wohnungseigentümer derselben Liegenschaft verboten werden soll, die in einem Wohnungseigentumsvertrag vereinbarte Widmung seines Wohnungseigentumsobjekts eigenmächtig und ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zu ändern, ein Verfahren ist, welches „dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen” im Sinne dieser Bestimmung zum Gegenstand hat, sofern diese Widmung nicht nur den Miteigentümern dieser unbeweglichen Sache, sondern jedermann entgegengehalten werden kann, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
2. Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass dann, wenn die in einem Wohnungseigentumsvertrag vereinbarte Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts nicht jedermann entgegengehalten werden kann, die Klage eines Wohnungseigentümers, mit der einem anderen Wohnungseigentümer derselben Liegenschaft verboten werden soll, die Widmung seines Wohnungseigentumsobjekts eigenmächtig und ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zu ändern, ein Verfahren ist, das „ein[en] Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag” im Sinne dieser Bestimmung zum Gegenstand hat. Unter Vorbehalt einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht ist der Erfüllungsort der Verpflichtung der Ort, an dem das Wohnungseigentumsobjekt belegen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 21. Mai 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Juni 2019, in dem Verfahren
Ellmes Property Services Limited
gegen
SP
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Ellmes Property Services Limited, vertreten durch Rechtsanwalt M. Rettenwander,
- von SP, vertreten durch Rechtsanwalt A. Bosio,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und M. Heller als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Juni 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 24 Nr. 1 und Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Ellmes Property Services Limited und SP über die Nutzung eines Wohnungseigentumsobjekts.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 bestimmt:
„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.”
Rz. 4
Art. 7 Nr. 1 Buchst. a dieser Verordnung sieht vor:
„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:
1. a) wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;
…”
Rz. 5
In Art. 24 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:
„Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz der Parteien sind folgende Gerichte eines Mitgliedstaats ausschließlich zuständig:
1. für Verfahren, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist.
…”
Österreichisches Recht
Rz. 6
§ 2 des Wohnungseigentumsgesetzes in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwend...