Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer-Karussellbetrug, Unternehmereigenschaft, wirtschaftliche Tätigkeit, Vorsteuerabzug
Leitsatz (amtlich)
Umsätze wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die nicht selbst mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sind, sind Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher ausführt, und eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Artikel 2 Nummer 1, 4 und 5 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 97/7/EG des Rates vom 10. April 1995 geänderten Fassung, wenn sie die objektiven Kriterien erfüllen, auf denen diese Begriffe beruhen, ohne dass es auf die Absicht eines von dem betroffenen Steuerpflichtigen verschiedenen, an derselben Lieferkette beteiligten Händlers und/oder den möglicherweise betrügerischen Zweck ‐ den dieser Steuerpflichtiger weder kannte noch kennen konnte ‐ eines anderen Umsatzes ankommt, der Teil dieser Kette ist und der dem Umsatz, den der betreffende Steuerpflichtige getätigt hat, vorausgeht oder nachfolgt. Das Recht eines Steuerpflichtigen, der solche Umsätze ausführt, auf Vorsteuerabzug wird auch nicht dadurch berührt, dass in der Lieferkette, zu der diese Umsätze gehören, ohne dass dieser Steuerpflichtige hiervon Kenntnis hat oder haben kann, ein anderer Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet ist.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 2 Nr. 1, Art. 4, 5 Abs. 1
Beteiligte
Commissioners of Customs & Excise |
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Artikel 2 Absatz 1, Artikel 4 Absätze 1 und 2 und Artikel 5 Absatz 1 ‐ Vorsteuerabzug ‐ Wirtschaftliche Tätigkeit ‐ Steuerpflichtiger, der als solcher handelt ‐ Lieferung von Gegenständen ‐ Umsatz, der Teil einer Lieferkette ist, an der ein Händler beteiligt ist, der seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, oder ein Händler, der eine 'entwendete‘ Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet ‐ Karussellbetrug“
In den verbundenen Rechtssachen C-354/03, C-355/03 und C-484/03
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidungen vom 28. Juli 2003 (C-354/03 und C-355/03) und 27. Oktober 2003 (C-484/03), beim Gerichtshof eingegangen am 18. August 2003 bzw. 19. November 2003, in dem Verfahren
Optigen Ltd(C-354/03),
Fulcrum Electronics Ltd(C-355/03),
Bond House Systems Ltd(C-484/03)
gegen
Commissioners of Customs & Excise
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J. Malenovský, J.-P. Puissochet, S. von Bahr (Berichterstatter) und U. Lõhmus,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2004,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Optigen Ltd, vertreten durch T. Beazley, QC, und J. Herberg, Barrister,
‐ der Fulcrum Electronics Ltd, vertreten durch R. Englehart, QC, und A. Lewis, Barrister,
‐ der Bond House Systems Ltd, vertreten durch K. P. E. Lasok, QC, und M. Patchett-Joyce, Barrister,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch C. Jackson (C-354/03, C-355/03 und C-484/03) und K. Manji (C-484/03) als Bevollmächtigte im Beistand von R. Anderson, QC, und I. Hutton, Barrister,
‐ der tschechischen Regierung, vertreten durch T. Boek als Bevollmächtigten (C-354/03, C-355/03 und C-484/03),
‐ der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde und A. Rahbøl Jacobsen als Bevollmächtigte im Beistand von P. Biering, advokat (C-484/03),
‐ des Rates der Europäischen Union, vertreten durch A.-M. Colaert und J. Monteiro als Bevollmächtigte (C-354/03 und C-355/03),
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal als Bevollmächtigten (C-354/03, C-355/03 und C-484/03),
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Februar 2005
folgendes
Urteil
1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. P 71, S. 1301) in der durch die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Erste Richtlinie) sowie die Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. L 102, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
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