Entscheidungsstichwort (Thema)
Humanarzneimittel. Ergänzendes Schutzzertifikat. Bedingungen für die Erteilung eines solchen Zertifikats. Möglichkeit der Erteilung mehrerer ergänzender Schutzzertifikate auf der Grundlage ein und desselben Patents
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 469/2009 Art. 3
Beteiligte
Tenor
Art. 3 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel ist unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, wo dem Inhaber eines Grundpatents auf der Grundlage dieses Patents und der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels, das eine Zusammensetzung aus mehreren Wirkstoffen ist, bereits ein ergänzendes Schutzzertifikat für diese Wirkstoffzusammensetzung erteilt worden ist, die durch dieses Patent im Sinne von Art. 3 Buchst. a dieser Verordnung geschützt ist, dahin auszulegen, dass er es nicht verbietet, dem Inhaber auch ein ergänzendes Schutzzertifikat für einen dieser Wirkstoffe zu erteilen, der durch das genannte Patent auch einzeln als solcher geschützt ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank 's-Gravenhage (Niederlande) mit Entscheidung vom 12. Oktober 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Oktober 2012, in dem Verfahren
Georgetown University
gegen
Octrooicentrum Nederland, das unter dem Namen NL Octrooicentrum handelt,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Georgetown University, vertreten durch K. A. J. Bisschop, advocaat,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Schillemans, M. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und S. Menez als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. W. Bulst, F. Wilman und J. Samnadda als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. November 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 3 und 14 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ABl. L 152, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Georgetown University und dem Octrooicentrum Nederland, das unter dem Namen NL Octrooicentrum handelt (im Folgenden: OCN), wegen dessen Weigerung, ein ergänzendes Schutzzertifikat (im Folgenden: ESZ) für einen einzelnen Wirkstoff zu erteilen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 4 und 5 sowie 9 und 10 der Verordnung Nr. 469/2009 lauten:
„(4) Derzeit wird durch den Zeitraum zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein neues Arzneimittel und der Genehmigung für das Inverkehrbringen desselben Arzneimittels der tatsächliche Patentschutz auf eine Laufzeit verringert, die für die Amortisierung der in der Forschung vorgenommenen Investitionen unzureichend ist.
(5) Diese Tatsache führt zu einem unzureichenden Schutz, der nachteilige Auswirkungen auf die pharmazeutische Forschung hat.
…
(9) Die Dauer des durch das Zertifikat gewährten Schutzes sollte so festgelegt werden, dass dadurch ein ausreichender tatsächlicher Schutz erreicht wird. Hierzu müssen demjenigen, der gleichzeitig Inhaber eines Patents und eines Zertifikats ist, insgesamt höchstens fünfzehn Jahre Ausschließlichkeit ab der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Arzneimittels in der Gemeinschaft eingeräumt werden.
(10) In einem so komplexen und empfindlichen Bereich wie dem pharmazeutischen Sektor sollten jedoch alle auf dem Spiel stehenden Interessen einschließlich der Volksgesundheit berücksichtigt werden. Deshalb kann das Zertifikat nicht für mehr als fünf Jahre erteilt werden. Der von ihm gewährte Schutz sollte im Übrigen streng auf das Erzeugnis beschränkt sein, für das die Genehmigung für das Inverkehrbringen als Arzneimittel erteilt wurde.”
Rz. 4
Art. 1 („Definitionen”) dieser Verordnung sieht vor:
„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
- ‚Arzneimittel’ einen Stoff oder eine Stoffzusammensetzung, der (die) als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten bezeichnet wird …;
- ‚Erzeugnis’ den Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung eines Arzneimittels;
- ‚Grundpatent’: ein Patent, das ein Erzeugnis als solches, ein Verfahren zur Herstellung eines Erzeugnisses oder eine Verwendung eines Erzeugnisses schützt und das von seinem Inhaber für das Verfahren zur Erteilung eines Zertifikats bestimmt i...