Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeitsklage. Institutionelles Recht. Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union. Europäische Arzneimittelagentur (EMA). Zuständigkeit für die Festlegung des Sitzes. Anwendungsbereich. Am Rande einer Tagung des Rates angenommener Beschluss der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten. Urheber und Rechtsnatur der Handlung. Keine Bindungswirkung in der Unionsrechtsordnung
Normenkette
AEUV Art. 263, 341
Beteiligte
Rat der Europäischen Union |
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Italienische Republik, die Comune di Milano und der Rat der Europäischen Union tragen ihre eigenen Kosten.
3. Die Regione Lombardia, das Königreich der Niederlande und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Nichtigkeitsklagen nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 30. Januar 2018 und am 9. März 2018,
Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von C. Colelli, S. Fiorentino und G. Galluzzo, Avvocati dello Stato,
Klägerin in der Rechtssache C-59/18,
Comune di Milano, Prozessbevollmächtigte: M. Condinanzi, A. Neri und F. Sciaudone, Avvocati,
Klägerin in der Rechtssache C-182/18,
unterstützt durch:
Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von C. Colelli, S. Fiorentino und G. Galluzzo, Avvocati dello Stato,
Regione Lombardia, Prozessbevollmächtigte: M. Tamborino, Avvocato,
Streithelferinnen,
gegen
Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bauer, J. Bauerschmidt, F. Florindo Gijón und E. Rebasti als Bevollmächtigte,
Beklagter,
unterstützt durch:
Königreich der Niederlande, vertreten durch M. K. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
Europäische Kommission, vertreten durch K. Herrmann, M. Konstantinidis und D. Nardi als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe, der Kammerpräsidenten C. Lycourgos, E. Regan, S. Rodin, I. Jarukaitis, N. Jääskinen und J. Passer sowie der Richter J.-C. Bonichot, M. Safjan, F. Biltgen, P. G. Xuereb, A. Kumin und N. Wahl (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2021,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Oktober 2021
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihren Klagen beantragen die Italienische Republik (C-59/18) und die Comune di Milano (Gemeinde Mailand, Italien) (C-182/18) die Nichtigerklärung des am Rande der 3579. Tagung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten” vom 20. November 2017 angenommenen Beschlusses, soweit darin die Stadt Amsterdam als neuer Sitz der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) festgelegt wird (im Folgenden: angefochtener Beschluss).
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Am 12. Dezember 1992 erließen die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen auf der Grundlage von Art. 216 des EWG-Vertrags, Art. 77 des EGKS-Vertrags und Art. 189 des EAG-Vertrags den Beschluss über die Festlegung der Sitze der Organe und bestimmter Einrichtungen und Dienststellen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1992, C 341, S. 1, im Folgenden: Beschluss von Edinburgh).
Rz. 3
Art. 1 des Beschlusses von Edinburgh legte den Sitz des Europäischen Parlaments, des Rates der Europäischen Union, der Europäischen Kommission, des Gerichtshofs der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, des Europäischen Rechnungshofs und der Europäischen Investitionsbank fest.
Rz. 4
Art. 2 dieses Beschlusses lautet:
„Der Sitz anderer bereits bestehender oder noch zu schaffender Einrichtungen und Dienststellen wird von den Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten auf einer der nächsten Tagungen des Europäischen Rates im gegenseitigen Einvernehmen unter Berücksichtigung der Vorteile, die obige Bestimmungen für die betreffenden Mitgliedstaaten mit sich bringen, festgelegt; Mitgliedstaaten, in denen derzeit keine Gemeinschaftsinstitution ihren Sitz hat, wird dabei angemessene Priorität eingeräumt.”
Rz. 5
Art. 341 AEUV sieht vor, dass „[d]er Sitz der Organe der Union … im Einvernehmen zwischen den Regierungen der Mitgliedstaaten bestimmt [wird]”.
Rz. 6
Im Protokoll Nr. 6 über die Festlegung der Sitze der Organe und bestimmter Einrichtungen, sonstiger Stellen und Dienststellen der Europäischen Union (im Folgenden: Protokoll Nr. 6), das dem EU-Vertrag, dem AEU-Vertrag und dem EAG-Vertrag beigefügt ist, heißt es:
„Die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten -
Gestützt auf Artikel 341 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, und Artikel 189 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft,
Eingedenk und in Bestätigung des Beschlusses vom 8. April 1965, jedoch unbeschadet der Beschlüsse über den Sitz künftiger Organe, Einrichtungen...