Entscheidungsstichwort (Thema)
Luftverkehr. Ausgleichsleistungen für Fluggäste bei Annullierung oder mehr als dreistündiger Verspätung von Flügen. Nationale Stellen, die für die Durchsetzung der Verordnung zuständig sind. Zuständigkeit. Erlass von Durchsetzungsmaßnahmen gegen das Luftfahrtunternehmen, um es zur Zahlung einer einem Fluggast geschuldeten Ausgleichsleistung anzuhalten
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 7, 16
Beteiligte
Staatssecretaris van Infrastructuur en Milieu |
Tenor
Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass die nationale Stelle, die gemäß Abs. 1 dieses Artikels von jedem Mitgliedstaat benannt wird und die mit der individuellen Beschwerde eines Fluggasts infolge der Weigerung eines Luftfahrtunternehmens, ihm die Ausgleichsleistung gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung zu zahlen, befasst ist, nicht verpflichtet ist, Durchsetzungsmaßnahmen gegen dieses Luftfahrtunternehmen zu erlassen, um es dazu anzuhalten, die dem Fluggast nach der Verordnung zustehende Ausgleichsleistung zu zahlen.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Raad van State (Staatsrat, Niederlande) mit Entscheidungen vom 11. März 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 26. März 2015, in den Verfahren
K. Ruijssenaars,
A. Jansen (C-145/15)
und
J. H. Dees-Erf (C-146/15)
gegen
Staatssecretaris van Infrastructuur en Milieu
Beteiligte:
Royal Air Maroc SA (C-145/15),
Koninklijke Luchtvaart Maatschappij NV (C-146/15)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. Šváby (Berichterstatter) sowie der Richter J. Malenovský und M. Safjan,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: A. Calot Escobar,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Ruijssenaars, Herrn Jansen und Frau Dees-Erf, vertreten durch M. Hoorntje, jurist, und F. de Bray, advocaat,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Gijzen und M. Bulterman als Bevollmächtigte,
- der Koninklijke Luchtvaart Maatschappij NV, vertreten durch P. Eijsvoogel und P. J. F. Huizing, advocaten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Wilman und N. Yerrell als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Januar 2016,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. L 46, S. 1).
Rz. 2
Sie ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten, nämlich erstens zwischen Herrn Ruijssenaars und Herrn Jansen einerseits und dem Staatssecretaris van Infrastructuur en Milieu (Staatssekretär für Infrastruktur und Umwelt, im Folgenden: Staatssekretär) andererseits und zweitens zwischen Frau Dees-Erf und dem Staatssekretär über dessen Weigerung, Durchsetzungsmaßnahmen gegen die Royal Air Maroc SA (im Folgenden: Royal Air Maroc) bzw. die Koninklijke Luchtvaart Maatschappij NV (im Folgenden: KLM) zu erlassen, um diese Gesellschaften zu verpflichten, die in Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehene Ausgleichsleistung für die um mehr als drei Stunden verspätete Ankunft der Flüge der Kläger der Ausgangsverfahren zu zahlen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 1, 21 und 22 der Verordnung Nr. 261/2004 lauten:
„(1) Die Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.
…
(21) Die Mitgliedstaaten sollten Regeln für Sanktionen bei Verstößen gegen diese Verordnung festlegen und deren Durchsetzung gewährleisten. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
(22) Die Mitgliedstaaten sollten die generelle Einhaltung dieser Verordnung durch ihre Luftfahrtunternehmen sicherstellen und überwachen und eine geeignete Stelle zur Erfüllung dieser Durchsetzungsaufgaben benennen. Die Überwachung sollte das Recht von Fluggästen und Luftfahrtunternehmen unberührt lassen, ihre Rechte nach den im nationalen Recht vorgesehenen Verfahren gerichtlich geltend zu machen.”
Rz. 4
In Art. 5 Abs. 1 der genannten Verordnung heißt es:
„(1) Bei Annullierun...