Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung. Recht der Begünstigten, die Zahlungen so bald wie möglich und vollständig zu erhalten. Recht auf Verzugszinsen. Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz. Kündigung eines Vertrags zur Finanzierung aus dem EFRE wegen Unregelmäßigkeiten bei seiner Durchführung. Aufhebung der Kündigung. Berichtigung von Unregelmäßigkeiten. Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. Anwendungsbereich
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 Art. 60, 80; Richtlinie 2011/7/EU
Beteiligte
Ministerul Fondurilor Europene |
Tenor
1.Der in Art. 60 der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 normierte Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung ist dahin auszulegen, dass er nicht dem entgegensteht, dass die Verwaltungsbehörde wegen der verspäteten Erstattung von aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung förderfähigen Ausgaben Verzugszinsen zahlt.
Dagegen ist der Effektivitätsgrundsatz im Licht von Art. 80 der Verordnung Nr. 1083/2006 dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass die Zahlung dieser Zinsen aufgrund von nationalen Rechtsvorschriften ausgeschlossen ist, nach denen Verzugszinsen erst nach Ablauf der Frist für die Erstattung der zu Unrecht gezahlten Beträge zu zahlen sind.
2.Art. 2 Nr. 7 in Verbindung mit Art. 98 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1083/2006
ist dahin auszulegen, dass
es zulässig ist, dass ein nationales Gericht infolge von „Unregelmäßigkeiten“ im Sinne von Art. 2 Nr. 7 der Verordnung Nr. 1083/2006, die bei der Durchführung eines Finanzierungsvertrags festgestellt wurden, den Betrag der Verzugszinsen, den die Verwaltungsbehörde dem Begünstigten eines aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gewährten Zuschusses wegen der verspäteten Erstattung von durch diesen Zuschuss förderfähigen Ausgaben in einem Fall schuldet, in dem sie diesbezüglich keine finanzielle Berichtigung vorgenommen hat, im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kürzt.
3.Die Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ist dahin auszulegen, dass sie auf einen zwischen einer Verwaltungsbehörde eines Mitgliedstaats und einem Unternehmen geschlossenen Finanzierungsvertrag, dessen Gegenstand darin besteht, dass ein von diesem Unternehmen geplanter Erwerb von Ausstattung von einem Dritten aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung mitfinanziert wird, nicht anwendbar ist.
Tatbestand
In der Rechtssache C-701/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Cluj (Berufungsgericht Cluj, Rumänien) mit Entscheidung vom 15. Dezember 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 15. November 2022, in dem Verfahren
SC AA SRL
gegen
Ministerul Fondurilor Europene
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin der Zweiten Kammer K. Jürimäe in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Dritten Kammer sowie der Richter N. Jääskinen, M. Gavalec und N. Piçarra (Berichterstatter),
Generalanwalt: A. Rantos,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – des Ministerul Fondurilor Europene, vertreten durch M. I. Boloş als Bevollmächtigten,
- – der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane und O.-C. Ichim als Bevollmächtigte,
- – der portugiesischen Regierung, vertreten durch H. Almeida, P. Barros da Costa, H. Oliveira und A. Pimenta als Bevollmächtigte,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Ehrbar, G. Gattinara und T. Isacu de Groot als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. März 2024
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Grundsatzes der wirtschaftlichen Haushaltsführung im Sinne von Art. 60 der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 (ABl. 2006, L 210, S. 25) in Verbindung mit dem Äquivalenzgrundsatz, von Art. 288 Abs. 3 AEUV und der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. 2011, L 48, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SC AA SRL (im Folgenden: AA) und dem Ministerul Fondurilor Europene (Ministerium für europäische Fonds, im Folge...