Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Art. 34 und 36 AEUV. Freier Warenverkehr. Geistiges Eigentum. Unionsmarke. Erschöpfung des Rechts aus der Marke. Inverkehrbringen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Zustimmung des Inhabers der Marke. Ort des ersten Inverkehrbringens der Waren durch den Inhaber der Marke oder mit seiner Zustimmung. Beweis. Wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz. Tenor von Gerichtsentscheidungen, in dem die betreffenden Waren nicht bestimmt werden. Durchführungsschwierigkeiten. Beschränkter Rechtsbehelf bei dem für die Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht. Fairer Prozess. Verteidigungsrechte. Grundsatz der Waffengleichheit

 

Normenkette

Verordnung (EU) 2017/1001 Art. 15; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 47; Richtlinie 2004/48/EG

 

Beteiligte

Harman International Industries

Harman International Industries Inc

AB S.A

 

Tenor

Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke ist in Verbindung mit Art. 36 Satz 2 AEUV und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums

dahin auszulegen, dass

er einer Rechtsprechungspraxis nicht entgegensteht, nach der der Tenor der Entscheidung, mit der einer Klage wegen Verletzung einer Unionsmarke stattgegeben wird, so allgemein formuliert wird, dass es der für die Vollstreckung dieser Entscheidung zuständigen Behörde überlassen bleibt, zu bestimmen, auf welche Waren diese Entscheidung Anwendung findet, sofern der Beklagte im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens die Bestimmung der von diesem Verfahren erfassten Waren anfechten kann und ein Gericht unter Beachtung der Bestimmungen der Richtlinie 2004/48 prüfen und entscheiden kann, welche Waren vom Inhaber der Marke oder mit seiner Zustimmung tatsächlich im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht wurden.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau, Polen) mit Entscheidung vom 3. Februar 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 17. März 2021, in dem Verfahren

Harman International Industries Inc.

gegen

AB S.A.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter D. Gratsias, M. Ilešič (Berichterstatter), I. Jarukaitis und Z. Csehi,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Harman International Industries Inc., vertreten durch D. Piróg und J. Słupski, Adwokaci,
  • der AB S.A., vertreten durch K. Kucharski und K. Sum, Radcowie prawni,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch É. Gippini Fournier, S. L. Kalėda und B. Sasinowska als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Juni 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 36 Satz 2 AEUV in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Harman International Industries Inc. mit Sitz in den Vereinigten Staaten (im Folgenden: Harman) und der AB S.A. mit Sitz in Polen über die Verletzung mehrerer Unionsmarken.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung 2017/1001

Rz. 3

In Art. 9 („Rechte aus der Unionsmarke”) der Verordnung 2017/1001 heißt es:

„(1) Mit der Eintragung einer Unionsmarke erwirbt ihr Inhaber ein ausschließliches Recht an ihr.

(2) Der Inhaber dieser Unionsmarke hat unbeschadet der von Inhabern vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem Prioritätstag der Unionsmarke erworbenen Rechte das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn

  1. das Zeichen mit der Unionsmarke identisch ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist;
  2. das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird;
  3. das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist, unabhängig davon, ob es für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind oder denjenigen ähnlich oder nicht ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Union bekannt ist und die Benut...

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