Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Freier Warenverkehr. Geistiges Eigentum. Unionsmarke. Erschöpfung des Rechts aus der Marke. Inverkehrbringen in der Union oder im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Zustimmung des Markeninhabers. Ort des ersten Inverkehrbringens der Waren durch den Inhaber der Marke oder mit seiner Zustimmung. Beweislast

 

Normenkette

AEUV Art. 34, 36; Verordnung (EG) Nr. 207/2009 Art. 13; Verordnung (EU) 2017/1001 Art. 15

 

Beteiligte

Hewlett Packard Development Company

Hewlett Packard Development Company LP

Senetic S.A.

 

Tenor

Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die [Unionsmarke] und Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke in Verbindung mit den Art. 34 und 36 AEUV

sind dahin auszulegen, dass

sie dem entgegenstehen, dass die Beweislast für die Erschöpfung des Rechts aus einer Unionsmarke ausschließlich den Beklagten eines Verletzungsverfahrens trifft, wenn die mit dieser Marke versehenen Waren, die keine Kennzeichen aufweisen, die es Dritten ermöglichen würden, den Markt zu bestimmen, auf dem sie vertrieben werden sollen und die über ein selektives Vertriebsnetz verteilt werden, dessen Mitglieder die Waren nur an andere Mitglieder dieses Netzes oder an Endverbraucher weiterverkaufen dürfen, von diesem Beklagten in der Europäischen Union oder im Europäischen Wirtschaftsraum erworben wurden, nachdem er von den Verkäufern die Zusicherung erhalten hatte, dass die Waren im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften dort vertrieben werden dürfen, und der Inhaber der Marke sich weigert, selbst eine solche Überprüfung auf Verlangen des Käufers vorzunehmen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-367/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau, Polen) mit Entscheidung vom 1. April 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Juni 2021, in dem Verfahren

Hewlett Packard Development Company LP

gegen

Senetic S.A.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters M. Ilešič (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zehnten Kammer sowie der Richter I. Jarukaitis und D. Gratsias,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        der Hewlett Packard Development Company LP, vertreten durch A. Jodkowski und K. Zielińska-Piątkowska, Adwokaci,
  • –        der Senetic S.A., vertreten durch S. Dudzik und E. Rumak, Radcowie prawni,
  • –        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • –        der Europäischen Kommission, vertreten durch É. Gippini Fournier, S. L. Kalėda und B. Sasinowska als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 36 Satz 2 AEUV in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV sowie den Art. 34, 35 und 36 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Hewlett Packard Development Company LP mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika (im Folgenden: Hewlett Packard) und der Senetic S.A. mit Sitz in Polen, weil diese Computerhardware, die mit Unionsmarken versehen war, deren Inhaberin Hewlett Packard ist, vermarktet haben soll.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung (EG) Nr. 207/2009

Rz. 3

Der neunte Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die [Unionsmarke] (ABl. 2009, L 78, S. 1) bestimmte:

„Aus dem Grundsatz des freien Warenverkehrs folgt, dass der Inhaber der [Unionsmarke] einem Dritten die Benutzung der Marke für Waren, die in der [Union] unter der Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht worden sind, nicht untersagen kann, außer wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt.“

Rz. 4

Art. 9 dieser Verordnung („Recht aus der [Unionsmarke]“) sah vor:

„(1)      Die [Unionsmarke] gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

a)      ein mit der [Unionsmarke] identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;

(2)      Sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden,

b)      unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;

c)      Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen;

...

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