Entscheidungsstichwort (Thema)

Reverse-Charge-Verfahren, Verlagerung der Steuerschuld, Handel mit Abfallstoffen, Barren aus verschmolzenem Schrott und Goldmaterialien

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 198 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er auf eine Lieferung von Barren wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die in einer zufälligen groben Verschmelzung von Schrott und verschiedenen goldhaltigen Metallgegenständen sowie verschiedenen anderen Metallen, Stoffen und Substanzen bestehen und die je nach Barren einen Goldgehalt von ca. 500 oder 600 Tausendsteln haben, anwendbar ist.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 198 Abs. 2

 

Beteiligte

Envirotec Denmark

Envirotec Denmark ApS

Skatteministeriet

 

Verfahrensgang

Ostre Landsret (Dänemark) (Beschluss vom 26.11.2014; ABl. EU 2015, Nr. C 56/9)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Verlagerung der Steuerschuld ‐ Art. 198 Abs. 2 ‐ Goldmaterial oder Halbfertigerzeugnisse ‐ Begriff ‐ Art. 199 Abs. 1 Buchst. d und Anhang VI ‐ Gebrauchtmaterial, Abfallstoffe und Schrott ‐ Aus einer Verschmelzung von verschiedenen Gegenständen und Schrott erzeugte Barren, die zur Gewinnung von Gold mit einem Feingehalt von mindestens 325 Tausendsteln bestimmt sind“

In der Rechtssache C-550/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Østre Landsret (Berufungsgericht für die Region Ost, Dänemark) mit Entscheidung vom 26. November 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 28. November 2014, in dem Verfahren

Envirotec Denmark ApS

gegen

Skatteministeriet

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič sowie der Richterin C. Toader, des Richters A. Rosas, der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der dänischen Regierung, vertreten durch C. Thorning als Bevollmächtigter im Beistand von B. Søes Petersen, advokat,

‐ der Regierung von Estland, vertreten durch K. Kraavi-Käerdi als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Owsiany-Hornung und M. Clausen als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 17. Dezember 2015

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 198 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Envirotec Denmark ApS (im Folgenden: Envirotec) gegen das Skatteministerium (Finanzministerium) wegen einer Entscheidung der Steuerverwaltung, mit der der Abzug der Mehrwertsteuer, die Envirotec im vierten Quartal 2011 als Vorsteuer gezahlt hatte, abgelehnt wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der achte Erwägungsgrund der Richtlinie 98/80/EG des Rates vom 12. Oktober 1998 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG ‐ Sonderregelung für Anlagegold (ABl. 1998, L 281, S. 31) bestimmt:

„Die Erfahrung hat gezeigt, dass ein Mechanismus der Verlagerung der Steuerschuld bei den meisten Lieferungen von Gold ab einem bestimmten Feingehalt zur Vorbeugung von Steuerhinterziehung beitragen kann, während gleichzeitig die Finanzierungsbelastung für das Geschäft verringert wird. Daher ist es gerechtfertigt, den Mitgliedstaaten die Anwendung eines solchen Mechanismus zu gestatten …“

Rz. 4

Art. 26b („Sonderregelung für Anlagegold“) der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 98/80 geänderten Fassung, sieht vor:

„…

F. Verlagerung der Steuerschuld

Die Mitgliedstaaten können in Abweichung von Artikel 21 Nummer 1 Buchstabe a) in der durch Artikel 28g geänderten Fassung im Fall von Lieferungen von Goldmaterial oder Halbfertigerzeugnissen mit einem Feingehalt von mindestens 325 Tausendsteln oder von Anlagegold, bei denen von dem Optionsrecht nach Teil C dieses Artikels Gebrauch gemacht wurde, den Erwerber als Steuerschuldner bestimmen und hierfür entsprechende Verfahren und Bedingungen festlegen. Wenn die Mitgliedstaaten diese Möglichkeit in Anspruch nehmen, treffen sie die erforderlichen Vorkehrungen, um sicherzustellen, dass die als Steuerschuldner bestimmte Person in Übereinstimmung mit Artikel 22 ihrer Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nachkommt und die Steuer entrichtet.

…“

Rz. 5

Die Erwägungsgründe 42 und 55 der Mehrwertsteuerrichtlinie lauten:

„(42) Die Mitgliedstaaten sollten in die Lage versetzt werden, in bestimmten Fällen den Erwerber von Gegenständen ...

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