Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Bestimmung des Nachnamens eines Kindes. Verfahren zur Übertragung des Bestimmungsrechts auf einen der Elternteile. Unzuständigkeit des Gerichtshofes
Beteiligte
Familiensache: Standesamt Stadt Niebüll |
Tenor
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist für eine Beantwortung der vom Amtsgericht Niebüll in seiner Entscheidung vom 2. Juni 2003 gestellten Frage nicht zuständig.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Amtsgericht Niebüll (Deutschland) mit Entscheidung vom 2. Juni 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Februar 2004, in dem Verfahren
Standesamt Stadt Niebüll
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter), der Richterin N. Colneric sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues, M. Ilešič und E. Levits,
Generalanwalt: F. G. Jacobs,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Kindes Leonhard Matthias, vertreten durch seinen Vater, S. Grunkin,
- der deutschen Regierung, vertreten durch A. Tiemann und A. Dittrich als Bevollmächtigte,
- der belgischen Regierung, vertreten durch A. Goldman als Bevollmächtigten,
- der griechischen Regierung, vertreten durch E.-M. Mamouna, S. Vodina und G. Skiani als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch E. Braquehais Conesa als Bevollmächtigten,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und A. Bodard-Hermant als Bevollmächtigte,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und C. W. Wissels als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Condou-Durande und S. Grünheid als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. Juni 2005
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 12 EG und 18 EG.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines vom Standesamt Stadt Niebüll (im Folgenden: Standesamt) eingeleiteten Verfahrens zur Übertragung des Rechts zur Bestimmung des Nachnamens eines Kindes auf einen seiner Elternteile. Diese hatten es zuvor abgelehnt, dem Kind einen anderen Namen als den aus ihren beiden Nachnamen gebildeten Doppelnamen zu geben, unter dem das Kind bereits in seinem Geburtsland Dänemark eingetragen ist.
Nationales Recht
Internationales Privatrecht
3 Artikel 10 Absatz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) bestimmt:
„Der Name einer Person unterliegt dem Recht des Staates, dem die Person angehört.”
Bürgerliches Recht
4 Zur Geburtsnamensbestimmung eines Kindes, dessen Eltern unterschiedliche Namen führen, heißt es in § 1617 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB):
„(1) Führen die Eltern keinen Ehenamen und steht ihnen die Sorge gemeinsam zu, so bestimmen sie durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten den Namen, den der Vater oder die Mutter zur Zeit der Erklärung führt, zum Geburtsnamen des Kindes. …
(2) Treffen die Eltern binnen eines Monats nach der Geburt des Kindes keine Bestimmung, überträgt das Familiengericht das Bestimmungsrecht einem Elternteil. Absatz 1 gilt entsprechend. Das Gericht kann dem Elternteil für die Ausübung des Bestimmungsrechts eine Frist setzen. Ist nach Ablauf der Frist das Bestimmungsrecht nicht ausgeübt worden, so erhält das Kind den Namen des Elternteils, dem das Bestimmungsrecht übertragen ist.
(3) Ist ein Kind nicht im Inland geboren, so überträgt das Gericht einem Elternteil das Bestimmungsrecht nach Absatz 2 nur dann, wenn ein Elternteil oder das Kind dies beantragt oder die Eintragung des Namens des Kindes in ein deutsches Personenstandsbuch oder in ein amtliches deutsches Identitätspapier erforderlich wird.”
5 § 46a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestimmt:
„Vor einer Entscheidung, durch die einem Elternteil das Bestimmungsrecht nach § 1617 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs übertragen wird, soll das Familiengericht beide Eltern anhören und auf eine einvernehmliche Bestimmung hinwirken. Die Entscheidung des Familiengerichts bedarf keiner Begründung; sie ist unanfechtbar.”
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
6 Am 27. Juni 1998 wurde in Dänemark das Kind der Eheleute Dorothee Paul und Stefan Grunkin geboren, die beide die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Das Kind besitzt ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit und lebte bei Erlass der Vorlageentscheidung in Dänemark.
7 Ausweislich einer von der zuständigen dänischen Behörde ausgestellten Namensurkunde „navnebevis”) erhielt das Kind nach dänischem Recht den Namen Grunkin-Paul, der in die dänische Geburtsurkunde eingetragen wurde.
8 Die deutschen Standesämter lehnten es ab, die in Dänemark für das Kind von Frau Paul und Herrn Grunkin getroffene Namensbestimmung anzuerkennen, da nach Artikel 10 EGBGB der Name einer Per...