Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Humanarzneimittel. Anwendungsbereich. Verkauf von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit im Fernabsatz. Nicht verschreibungspflichtige Humanarzneimittel. Personen, die zum Verkauf von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit im Fernabsatz ermächtigt oder befugt sind. Befugnis der Mitgliedstaaten, aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigte Bedingungen für den auf ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln, die online verkauft werden, aufzustellen. Dienste der Informationsgesellschaft. Dienst, der in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Online-Verkauf von Arzneimitteln besteht
Normenkette
Richtlinie 2001/83/EG Art. 85c; Richtlinie 98/34/EG; Richtlinie (EU) 2015/1535
Beteiligte
Union des Groupements de pharmaciens d’officine (UDGPO) |
Tenor
1.Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 geänderten Fassung und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft
sind dahin auszulegen, dass
ein Dienst, der auf einer Website erbracht wird und in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken besteht, die diesen Dienst abonniert haben, unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne dieser Bestimmungen fällt.
2.Art. 85c der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass
die Mitgliedstaaten auf der Grundlage dieser Bestimmung die Erbringung eines Dienstes verbieten können, der darin besteht, mittels einer Website Apotheker und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken zusammenzuführen, die diesen Dienst abonniert haben, wenn sich unter Berücksichtigung der Merkmale dieses Dienstes herausstellt, dass dessen Anbieter selbst solche Arzneimittel verkauft, ohne dazu nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem er niedergelassen ist, ermächtigt oder befugt zu sein.
Tatbestand
In der Rechtssache C-606/21
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) mit Entscheidung vom 17. September 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 30. September 2021, in dem Verfahren
Doctipharma SAS
gegen
Union des Groupements de pharmaciens d’officine (UDGPO),
Pictime Coreyre
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter F. Biltgen, N. Wahl (Berichterstatter) und J. Passer sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: K. Hötzel, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2023,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der Doctipharma SAS, vertreten durch V. Eppendahl, L. Lesur, M. Rivasi und A. Robert, Avocats, sowie M. Meulenbelt, Advocaat,
- – der Union des Groupements de pharmaciens d’officine (UDGPO), vertreten durch S. Beaugendre und M. Boccon-Gibod, Avocats,
- – der französischen Regierung, vertreten durch G. Bain, V. Depenne, A.-L. Desjonquères, M. Guiresse und N. Vincent als Bevollmächtigte,
- – der tschechischen Regierung, vertreten durch T. Machovičová, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- – der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Russo, Avvocato dello Stato,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Sipos und F. Thiran als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Juli 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 1998, L 204, S. 37) in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. 1998, L 217, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 98/34) sowie die Auslegung von Art. 85c der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rate...