Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung. Pflicht zum Abschluss eines Versicherungsvertrags. Umfang. Gebietskörperschaft, die ein Fahrzeug auf gerichtlichem Wege erworben hat. Zugelassenes Fahrzeug, das sich auf einem Privatgrundstück befindet und verschrottet werden soll

 

Normenkette

Richtlinie 2009/103/EG Art. 3 Abs. 1

 

Beteiligte

Ubezpieczeniowy Fundusz Gwarancyjny

Powiat Ostrowski

Ubezpieczeniowy Fundusz Gwarancyjny

 

Tenor

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht ist dahin auszulegen, dass der Abschluss eines Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrags obligatorisch ist, wenn das betreffende Fahrzeug in einem Mitgliedstaat zugelassen ist, sofern das Fahrzeug nicht gemäß der anwendbaren nationalen Regelung ordnungsgemäß stillgelegt worden ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sad Rejonowy w Ostrowie Wielkopolskim (Rayongericht Ostrów Wielkopolski, Polen) mit Entscheidung vom 12. Februar 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Mai 2019, in dem Verfahren

Powiat Ostrowski

gegen

Ubezpieczeniowy Fundusz Gwarancyjny

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan, der Richter M. Ilešič, E. Juhász, C. Lycourgos und I. Jarukaitis (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Ubezpieczeniowy Fundusz Gwarancyjny, vertreten durch M. Piwinska, radca prawny,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, M. Hellmann, E. Lankenau, U. Bartl und D. Klebs als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe, B. Sasinowska und S. L. Kalėda als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Dezember 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. 2009, L 263, S. 11).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Powiat Ostrowski (Landkreis Ostrów, Polen) (im Folgenden: Landkreis) und dem Ubezpieczeniowy Fundusz Gwarancyjny (Versicherungsgarantiefonds, Polen) (im Folgenden: Garantiefonds) über die etwaige Pflicht des Landkreises zum Abschluss eines Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrags für ein Fahrzeug, das der Landkreis auf gerichtlichem Wege erworben hat und verschrotten lassen will.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 1 und 2 der Richtlinie 2009/103 heißt es:

„(1) Die Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht [(ABl. 1972, L 103, S. 1)], die Zweite Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung [(ABl. 1984, L 8, S. 17)], die Dritte Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung [(ABl. 1990, L 129, S. 33)] und die Richtlinie 2000/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Mai 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (Vierte Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie) [(ABl. 2000, L 181, S. 65)] wurden mehrfach und erheblich geändert. Aus Gründen der Klarheit und der Übersichtlichkeit empfiehlt es sich, die vier genannten Richtlinien wie auch die Richtlinie 2005/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 zur Änderung der Richtlinien [72/166], [84/5], 88/357/EWG und [90/232] des Rates sowie der Richtlinie [2000/26] über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung [(ABl. 2005, L 149, S. 14)] zu kodifizieren.

(2) Die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (Kfz-Haftpflichtversicherung) ist für die europäischen Bürger – sowohl für die Versicherungsnehmer als auch für die Opfer von Verkehrsunfällen – von besonderer Bedeutung. Sie ist auch für die Versicherungsunternehmen von erheblichem Interesse, weil ein wesentlicher Teil des Schadenversicherungsgeschäfts in der Gemeinschaft auf die Kfz-Haftpflichtversicherung entfällt. Die Kfz-Haftpflichtversicherung wirkt sich auch auf den freien Personen- und Kraftfahrzeugverkehr aus. …”

Rz. 4

Art. 1 der Richtlinie 2009/103 enthält folgende Definitionen:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezei...

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