Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung. Pflicht zum Abschluss eines Versicherungsvertrags. Umfang. Verkehrsuntaugliches, nicht zugelassenes und ordnungsgemäß stillgelegtes Fahrzeug

 

Normenkette

Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; Richtlinie 2009/103/EG Art. 3 Abs. 1

 

Beteiligte

Ubezpieczeniowy Fundusz Gwarancyjny

HG

TC

Ubezpieczeniowy Fundusz Gwarancyjny

 

Tenor

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht ist dahin auszulegen, dass der Abschluss eines Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrags während des Zeitraums, in dem das betreffende Fahrzeug aufgrund seines technischen Zustands nicht verkehrstauglich, nicht zugelassen und nach dem anwendbaren nationalen Recht vorübergehend stillgelegt worden ist, nicht verpflichtend ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Rejonowy w Opatowie (Rayongericht Opatów, Polen) mit Entscheidung vom 14. Oktober 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Dezember 2020, in dem Verfahren

HG,

TC

gegen

Ubezpieczeniowy Fundusz Gwarancyjny,

Beteiligte:

Prokuratura Okregowa w Kielcach,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer C. Lycourgos in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zehnten Kammer sowie der Richter I. Jarukaitis (Berichterstatter) und M. Ilešič,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. 2009, L 263, S. 11).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen HG und TC auf der einen und dem Ubezpieczeniowy Fundusz Gwarancyjny (Versicherungsgarantiefonds, Polen, im Folgenden: Garantiefonds) auf der anderen Seite über die etwaige Pflicht der Kläger des Ausgangsverfahrens zum Abschluss eines Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrags für ein Fahrzeug, das nicht verkehrstauglich, nicht zugelassen und vorübergehend stillgelegt worden ist.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Richtlinie 2009/103 enthält in ihrem Art. 1 Nr. 1 folgende Begriffsbestimmung:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1. ‚Fahrzeug’ jedes maschinell angetriebene Kraftfahrzeug, welches zum Verkehr zu Lande bestimmt und nicht an Gleise gebunden ist, sowie die Anhänger, auch wenn sie nicht angekoppelt sind…”

Rz. 4

Art. 3 („Kfz-Haftpflichtversicherungspflicht”) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Jeder Mitgliedstaat trifft vorbehaltlich der Anwendung des Artikels 5 alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist.”

Rz. 5

Art. 5 („Ausnahmen von der Kfz-Haftpflichtversicherungspflicht”) dieser Richtlinie legt die Voraussetzungen fest, unter denen jeder Mitgliedstaat bei bestimmten natürlichen oder juristischen Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts oder bei bestimmten Arten von Fahrzeugen oder Fahrzeugen mit besonderem Kennzeichen von Art. 3 der Richtlinie abweichen kann.

Polnisches Recht

Rz. 6

Art. 3 Abs. 1 der Ustawa o ubezpieczeniach obowiązkowych, Ubezpieczeniowym Funduszu Gwarancyjnym i Polskim Biurze Ubezpieczycieli Komunikacyjnych (Gesetz über die obligatorische Versicherung, den Versicherungsgarantiefonds und das polnische Büro der Kraftfahrzeugversicherer) vom 22. Mai 2003 in ihrer auf den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits anwendbaren Fassung (Dz. U. 2018, Pos. 473) (im Folgenden: Gesetz über die obligatorische Versicherung) definiert den Begriff „obligatorische Versicherung” als „Haftpflichtversicherung einer Person oder Versicherung eines Gegenstands, wenn das Gesetz oder ein von der Republik Polen ratifizierter völkerrechtlicher Vertrag eine Pflicht zum Abschluss eines Versicherungsvertrags vorsieht”.

Rz. 7

Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes über die obligatorische Versicherung stellt klar, dass die Haftpflichtversicherung des Halters eines Kraftfahrzeugs für Schäden, die sich aus dem Betrieb dieser Fahrzeuge ergeben, verpflichtend ist.

Rz. 8

Art. 23 Abs. 1 dieses Gesetzes bestimmt, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs verpflichtet ist, einen Vertrag über eine obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung abzuschließen, mit der Schäden, die sich aus dem Betrieb des in seinem Besitz befindlichen Kraftfahrzeugs ergeben, abgedeckt werden.

Rz. 9

Art. 88 des Gesetzes sieht vor:

„(1) Wer die Pflicht zum Abschluss eines obligatorischen ...

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