Entscheidungsstichwort (Thema)
Freier Warenverkehr. Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen. Gegenseitige Anerkennung der Konformität. Keine Anerkennung der Konformitätserklärung eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Herstellers
Beteiligte
Lidl Magyarország Kereskedelmi bt |
Nemzeti Hírközlési Hatóság Tanácsa |
Tenor
1. Die Mitgliedstaaten können von einer Person, die eine Funkanlage in den Verkehr bringt, nicht nach der Richtlinie 1999/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 1999 über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen und die gegenseitige Anerkennung ihrer Konformität verlangen, dass sie eine Konformitätserklärung abgibt, obwohl der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Hersteller der Anlage diese mit dem CE-Kennzeichen versehen und eine Konformitätserklärung für sie ausgestellt hat.
2. Die Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit ist nicht auf die Beurteilung von Fragen anwendbar, die sich auf die Verpflichtung einer Person zur Abgabe einer Konformitätserklärung für eine Funkanlage beziehen. Hinsichtlich der Befugnis der Mitgliedstaaten, auf der Grundlage der Richtlinie 2001/95 im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Funkanlagen andere Verpflichtungen als die Vorlage einer Konformitätserklärung vorzuschreiben, gilt, dass eine Person, die ein Produkt in den Verkehr bringt, nur unter den in Art. 2 Buchst. e dieser Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen als dessen Hersteller und nur unter den in Art. 2 Buchst. f der Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen als dessen Händler angesehen werden kann. Dem Hersteller und dem Händler können nur die Verpflichtungen auferlegt werden, die in der Richtlinie 2001/95 jeweils für sie vorgesehen sind.
3. Alle nationalen Maßnahmen in einem Bereich, für den auf Gemeinschaftsebene eine harmonisierte Regelung geschaffen worden ist, sind anhand dieser Harmonisierungsmaßnahme und nicht anhand der Art. 28 EG und 30 EG zu beurteilen. In den der Richtlinie 1999/5/EG unterliegenden Bereichen müssen die Mitgliedstaaten den Bestimmungen dieser Richtlinie voll nachkommen und dürfen zuwiderlaufende nationale Bestimmungen nicht beibehalten. Gelangt ein Mitgliedstaat zu der Auffassung, dass die Übereinstimmung mit einer harmonisierten Norm die Erfüllung der in der Richtlinie 1999/5 aufgestellten grundlegenden Anforderungen, für die diese Norm gelten soll, nicht gewährleistet, muss er das Verfahren nach Art. 5 dieser Richtlinie anstrengen. Gründe, die nicht den von der Richtlinie 1999/5 harmonisierten Bereich betreffen, kann ein Mitgliedstaat hingegen für eine Beschränkung anführen. In einem solchen Fall kann er sich nur auf die in Art. 30 EG aufgezählten Gründe oder auf zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses berufen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Fővárosi Bíróság (Ungarn) mit Entscheidung vom 11. März 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 2. April 2008, in dem Verfahren
Lidl Magyarország Kereskedelmi bt
gegen
Nemzeti Hírközlési Hatóság Tanácsa
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz (Berichterstatter) sowie der Richter E. Juhász und G. Arestis,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Lidl Magyarország Kereskedelmi bt, vertreten durch R. Kölcsey-Rieden, ügyvéd,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch J. Fazekas, R. Somssich und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,
- der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne als Bevollmächtigten,
- der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Wils und A. Sipos als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 1999/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 1999 über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen und die gegenseitige Anerkennung ihrer Konformität (ABl. L 91, S. 10), der Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit (ABl. 2002, L 11, S. 4) und des Art. 30 EG.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Lidl Magyarország Kereskedelmi bt (im Folgenden: Lidl) und dem Nemzeti Hírközlési Hatóság Tanácsa (Rat der ungarischen Telekommunikationsbehörde, im Folgenden: Hatóság) wegen dessen Untersagung des Vertriebs einer Funkanlage durch Lidl in Ungarn, die von einem in Belgien ansässigen Unternehmen hergestellt wird.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Richtlinie 1999/5
Rz. 3
Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 1999/5 definiert ihren Geltungsbereich wie folgt:
„Mit ...