Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Zuständigkeit für Versicherungssachen. Klage des Versicherungsnehmers, des Versicherten oder des Begünstigten. Möglichkeit, den Versicherer vor dem Gericht des Ortes zu verklagen, an dem der Kläger seinen Wohnsitz hat. Festlegung der internationalen und der örtlichen Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats. Klage, die der Geschädigte unmittelbar gegen den Versicherer erhebt. Versicherer, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat sowie eine Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat hat und vor dem Gericht verklagt wird, in dessen Bezirk diese Niederlassung liegt

 

Normenkette

Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 11 Abs. 1 Buchst. b, Art. 13 Abs. 2

 

Beteiligte

Allianz Elementar Versicherung

HW

ZF

MZ

Allianz Elementar Versicherungs AG

 

Tenor

Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung im Fall ihrer Anwendbarkeit sowohl die internationale Zuständigkeit als auch die örtliche Zuständigkeit des Gerichts eines Mitgliedstaats festlegt, in dessen Bezirk sich der Wohnsitz des Klägers befindet.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunalul Bucureşti (Landgericht Bukarest, Rumänien) mit Entscheidung vom 28. September 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Dezember 2020, in dem Verfahren

HW,

ZF,

MZ

gegen

Allianz Elementar Versicherungs AG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Jääskinen (Berichterstatter) sowie der Richter M. Safjan und M. Gavalec,

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane und L. Liţu als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Biolan und S. Noë als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen HW, ZF und MZ, drei natürlichen Personen mit Wohnsitz in Rumänien, und der Allianz Elementar Versicherungs AG, einer Gesellschaft mit Sitz in Österreich, die allerdings durch ihre rumänische Korrespondenzgesellschaft vertreten wird, über eine Entschädigungsklage dieser natürlichen Personen, die geltend machen, Begünstigte eines Versicherungsvertrags zwischen dieser Gesellschaft und der Person zu sein, die für den Unfall verantwortlich war, der zum Tod eines ihrer Familienmitglieder geführt hatte.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 15, 16, 18 und 34 der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:

„(15) Die Zuständigkeitsvorschriften sollten in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. Diese Zuständigkeit sollte stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.

(16) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten sollte durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind. Das Erfordernis der engen Verbindung soll Rechtssicherheit schaffen und verhindern, dass die Gegenpartei vor einem Gericht eines Mitgliedstaats verklagt werden kann, mit dem sie vernünftigerweise nicht rechnen konnte. …

(18) Bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitsverträgen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.

(34) Um die Kontinuität zwischen dem … Übereinkommen [vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32)], der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 [des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S....

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