Fast zeitglich mit dem Eckpunktepapier zum Abstammungsrecht veröffentlichte das BMJ ein weiteres Eckpunktepapier mit geplanten Änderungen im Kindschaftsrecht.
Auch das Kindschaftsrecht ist reformbedürftig, weil sich die Lebenswirklichkeit vieler Trennungsfamilien in den letzten Jahren stark verändert. Im Rahmen von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aber auch von Patchworkfamilien sind zudem zunehmend mehr als zwei Personen bereit, Verantwortung für ein Kind zu übernehmen.
Bereits 2018 setzte das BMJ eine Arbeitsgruppe ein, die mögliche Reformen des geltenden Kindschaftsrechts prüfen und hierzu Vorschläge erarbeiten sollte. Die Arbeitsgruppe veröffentlichte am 29.10.2019 ein Thesenpapier, auf dessen Empfehlungen das Eckpunktepapier nunmehr aufbaut. Im Einzelnen schlägt das Eckpunktepapier folgende Änderungen vor:
1. Elterliche Sorge
a) Gemeinsames Sorgerecht auch für nicht miteinander verheiratete Eltern
Nach wie vor steht die gemeinsame elterliche Sorge kraft Gesetzes nur verheirateten Eltern zu (§§ 1626, 1626a BGB). Nicht verheiratete Eltern müssen entweder eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgeben, einander heiraten oder einen Antrag auf Herstellung des gemeinsamen Sorgerechts beim Familiengericht stellen. Das Familiengericht hat diesem Antrag stattzugeben, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht (§§ 1626, 1626a BGB, § 155a FamFG). Diese seit 2013 geltende Rechtslage stellt zwar eine deutliche Verbesserung der Rechtstellung unverheirateter Väter dar, denn bis 1997 konnten sie das Sorgerecht gar nicht (§ 1705 BGB aF) und seit 1998 nur Zustimmung der Mutter (§ 1626a BGB aF) erlangen.
Nach dem Eckpunktepapier soll zukünftig eine einseitige Erklärung des Vaters zur Begründung des gemeinsamen Sorgerechts ausreichen, wenn die Eltern einen gemeinsamen Wohnsitz haben und die Mutter der Erklärung nicht widerspricht. Maßgeblicher Zeitpunkt für den gemeinsamen Wohnsitz dürfte die Geburt sein. Widerspricht die Mutter der Erklärung des Vaters, bleibt es beim alleinigen Sorgerecht der Mutter. Der Vater ist dann wie bislang auf einen Antrag an das Familiengericht angewiesen. Den Widerspruch soll die Mutter innerhalb einer bestimmten Frist erheben können, die das Eckpunktepapier allerdings nicht konkret benennt.
Diese Vorschläge lehnen sich an jene an, die das BMJ bereits in einem Eckpunktepapier Ende 2010 veröffentlichte, welches dann aber nicht umgesetzt wurde. Auf einen gemeinsamen Wohnsitz der Eltern sollte es allerdings nach den damaligen Vorstellungen des BMJ nicht ankommen.
Der Vorschlag zur erneuten Reform des § 1626a BGB ist zu begrüßen. Die allein auf der Ehe beruhende unterschiedliche Behandlung von Eltern überzeugt nicht (mehr). Anders als früher erfolgt eine Familiengründung nicht stets im Zusammenhang mit einer Ehe. Viele Paare entscheiden sich ganz bewusst für Kinder, aber gegen eine Ehe. Allein auf das Bestehen einer Ehe als Indiz für eine ausreichende elterliche Kooperations- und Kommunikationsebene abzustellen, entspricht nicht mehr der gesellschaftlichen Realität. Überzeugend ist es daher, mit dem Eckpunktepapier auf den gemeinsamen Wohnsitz abzustellen. Eltern, die sich eine gemeinsame Wohnung teilen, sind in der Regel auch in der Lage, das gemeinsame Sorgerecht für ihr Kind auszuüben.
Zweifelhaft erscheint, ob der Mutter in den Fällen des gemeinsamen Wohnsitzes überhaupt ein Widerspruchsrecht eingeräumt werden sollte. Die Lebenssituation zusammenlebender nicht verheirateter Eltern dürfte im Regelfall vergleichbar mit der verheirateter Eltern sein. Dort besteht aber kein Widerspruchsrecht. Allerdings sollte aus Gründen der Rechtssicherheit hinsichtlich des gemeinsamen Wohnsitzes auf die Daten des Melderegisters und nicht den tatsächlichen gemeinsamen Wohnsitz abgestellt werden. Das Abstellen auf den im Melderegister eingetragenen Wohnsitz birgt aber eine gewisse Fehleranfälligkeit mit sich, die durch das vorgesehene Widerspruchsrecht der Mutter aufgefangen wird. Soll demgegenüber der tatsächliche gemeinsame Wohnsitz maßgeblich sein, läge es näher, auf das Widerspruchsrecht der Mutter zu verzichten.
Hinsichtlich der weiteren Modalitäten des Widerspruchs finden sich keine Ausführungen im Eckpunktepapier. Sinnvoll wäre, dass der Widerspruch der Mutter lediglich schriftlich gegenüber dem zuständigen Jugendamt zur Eintragung in das Sorgeregister nach § 58a SGB VIII erklärt werden müsste. Einer öffentlichen Beurkundung des Widerspruchs entsprechend § 1626d BGB sollte es nicht bedürfen. Es ist der Mutter nämlich nicht zumutbar, sich kurz nach der Geburt zur Beurkundung des Widerspruchs zum Jugendamt oder zu einem Notar zu begeben. Eine nennenswerte Gefahr falscher Widerspruchserklärungen dürfte nicht bestehen.
Die Sorgerechtserklärung des Vaters sollte hingegen wie auch sonst den Erfordernissen des § 1626d BGB genügen müssen. Als Frist zur Abgabe des Widerspruchs bietet sich die schon im Eckpunktepapier 2010 vorgesehene und an § 1615l Abs. 1 BGB angelehnte Frist von 8 Wochen an, beginnend mit der vom Jugendamt zu veranlassenden Zustellung der Sorgerec...