Fast zehn Jahre nach dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes beschäftigt sich der BGH erst zum dritten Mal mit den Voraussetzungen der Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil nach § 1671 Abs. 2 BGB bzw. der Beibehaltung der gemeinsamen Sorge nach Trennung der Eltern. Dies macht neben der seit der Gesetzesänderung im Jahre 1998 zu beobachtenden Verlagerung der Elternkonflikte von der Ebene des Sorgerechts zur Ebene des Umgangs deutlich, dass es bei der Entscheidung zwischen Alleinsorge und gemeinsamer Sorge weniger um grundsätzliche Rechtsfragen als um die praktische Lösung des Elternkonflikts unter Berücksichtigung des Kindeswohls geht. Dabei helfen Überlegungen darüber, ob zwischen den in Betracht kommenden Regelungen ein Regel/Ausnahme-Verhältnis besteht oder nicht, wenig weiter. Es ist vielmehr in jedem Einzelfall zu entscheiden, ob die Eltern zu einem gemeinsamen Handeln im Interesse des Kindes in dem notwendigen Umfang, der nicht generell, sondern nur auf die konkreten Umstände bezogen bestimmt werden kann, in der Lage sind oder ob bestehende Konflikte sich auf die erforderliche Kooperation negativ und damit möglicherweise schädlich für das Kind auswirken. Nachdem in BGH FamRZ 1999, 1646 bereits in der Stellung eines Alleinsorgeantrags (der betreuenden Mutter gegenüber einem an der Erziehung der Kinder offensichtlich völlig desinteressierten Vater) ein Indiz für eine unzureichende Kooperationsfähigkeit bzw. -bereitschaft gesehen worden war, wurde in BGH FamRZ 2005, 1167 ein Konflikt der Eltern in einem wesentlichen Teilbereich der Angelegenheiten des Kindes, nämlich der religiösen Erziehung, als nicht ausreichend erachtet, die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben. Offen bleibt weiterhin, ob eine ausreichende Kooperation bereits dann vorliegt, wenn der nicht betreuende Elternteil den anderen Elternteil bei der Betreuung gewähren lässt und ihn bei erforderlichen Entscheidungen nicht behindert, sich aber ansonsten vollständig passiv bezüglich der Erziehung und Entwicklung des Kindes verhält.
Der jetzt entschiedene Fall betrifft die keineswegs außergewöhnliche Situation, dass die mangelnde Kooperation vor dem Hintergrund einer – wie es der BGH nennt – völligen Zerrüttung der sozialen Beziehungen zwischen den Eltern allein oder überwiegend dem Verhalten des betreuenden Elternteils anzulasten ist. Die bedingungslose Ablehnungshaltung der Mutter gegenüber dem Vater hat im konkreten Fall außerdem zu einem Abbruch des Umgangs des Vaters mit den Kindern geführt. Zunächst mag man das Ergebnis, dass der BGH wie die Vorinstanzen die Alleinsorge der Mutter für angezeigt hält, für befremdlich halten. Dies deshalb, weil der Verstoß gegen das gesetzliche Loyalitätsgebot (§ 1684 Abs. 2 BGB) nicht nur sanktionslos bleibt, sondern die Mutter aus der Sicht des Vaters für ihr nachhaltiges und konsequentes Fehlverhalten sogar noch "belohnt" wird. Eine solche Betrachtungsweise greift jedoch zu kurz, da sie maßgeblich auf die Elterninteressen abstellt. Das Kindeswohl, dem nach dem Gesetz (§§ 1671 Abs.2 Nr.2, 1697a BGB) eine entscheidende und vorrangige Bedeutung zukommt, auf die der BGH unter Berufung auf das BVerfG hinweist, kann es im Einzelfall gebieten, einem Elternteil, der die Interessen des anderen Elternteils missachtet, da er nicht über die erforderliche Bindungstoleranz verfügt, nicht nur die alleinige Betreuung des gemeinsamen Kindes zu belassen, sondern ihm sogar die Alleinsorge zu übertragen. Die Regelung der Betreuung des Kindes und der hiermit verbundenen Befugnisse der Eltern kann nicht dazu dienen, einen Elternteil für sein Verhalten gleichsam zu bestrafen, wenn dies sich nachteilig auf das Kindeswohl auswirkt. Es mag im Einzelfall schwerfallen, diese vom BGH ausdrücklich angesprochene Konsequenz zu akzeptieren, jedoch verkennt eine andere Beurteilung die Bedeutung des Kindeswohles. Das soll nicht heißen, dass ein Fehlverhalten eines betreuenden Elternteils bei der Sorgeentscheidung ohne jede Bedeutung ist. Die fehlende Bindungstoleranz und auch die damit verbundene teilweise Erziehungsunfähigkeit können im Abwägungsprozess bei einem Streit über die elterliche Sorge von ausschlaggebender Bedeutung sein, wenn bei den anderen Kriterien des Kindeswohles keine eindeutige Priorität zugunsten eines Elternteils festgestellt werden kann. Dagegen verbietet sich eine Verkürzung des Abwägungsprozesses mit dem Argument, dass der für die fehlende Kooperation allein oder überwiegend verantwortliche Elternteil die Alleinsorge nicht bekommen kann, zumindest solange er nicht durch entsprechende Bemühungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit seiner Konsensverpflichtung nachgekommen ist. Der BGH lehnt diese Auffassung zu Recht mit dem Hinweis darauf ab, dass die bloße Pflicht zur Konsensfindung eine tatsächlich nicht bestehende Verständigungsmöglichkeit nicht zu ersetzen vermag und erzwungene Gemeinsamkeit vor dem Hintergrund eines destruktiven Elternstreites zwangsläufig zu erheblichen Belastungen für d...