Einführung
Zum 1.1.2021 ist das Gesetz zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts und zur Änderung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 – KostRÄG 2021) in Kraft getreten. Hauptanliegen des Gesetzes war es, die Beträge der Anwalts- und Gerichtsgebühren anzuheben. Daneben hat der Gesetzgeber aber auch die Gelegenheit genutzt und einige Streitfragen klargestellt. Auch hat es inhaltliche Änderungen gegeben.
I. Anhebung der Gebührenbeträge
1. Wahlanwaltsgebühren
In § 13 Abs. 1 RVG hat der Gesetzgeber die Gebührenbeträge für die Wertgebühren angehoben. Das durchschnittliche Anhebungsvolumen beläuft sich auf ca.10 %. Die Ausgangsgebühr beträgt jetzt 49 EUR anstelle der bisherigen 45 EUR. Die Gebührenstufen selbst sind diesmal unverändert geblieben. Auch der Mindestbetrag einer Gebühr ist mit 15 EUR beibehalten worden (§ 13 Abs. 2 RVG).
2. Verfahrenskostenhilfegebühren
Auch die Gebührenbeträge der Tabelle des § 49 RVG sind angehoben worden. Bei Werten von über 4.000 EUR erhält der Anwalt jetzt zwar nach wie vor geringere Gebührenbeträge. Diese sind aber ebenfalls um ca. 10 % angehoben worden.
Darüber hinaus hat der Gesetzgeber in § 49 RVG vier weitere Gebührenstufen eingefügt. Während bislang die Gebührentabelle des § 49 RVG bei Werten von über 30.000 EUR endete, schließt sie jetzt erst bei Werten von über 50.000 EUR. Hier sind also vier weitere Wertstufen (bis 35.000 EUR, bis 40.000 EUR, bis 45.000 EUR und bis 50.000 EUR) eingefügt worden. Diese Regelung dürfte sich insbesondere in Scheidungsverbundverfahren auswirken, da hier aufgrund der Folgesachen doch mitunter höhere Verfahrenswerte festgesetzt werden.
3. Gerichtsgebühren
Auch die Gebührentabelle des § 34 FamGKG ist angehoben worden. Auch hier beträgt das Anhebungsvolumen ca. 10 %.
II. Verwertungsverbot der Vorbefassung
Die bisher nur an einigen Stellen im RVG enthaltene Regelung, wonach in Anrechnungsfällen eine Vorbefassung nicht mindernd bei der Bemessung des Gebührenrahmens einer nachfolgenden Gebühr berücksichtigt werden darf, ist nunmehr in § 14a Abs. 2 RVG für alle Fälle verankert worden. Für den Familienrechtler spielt dies eine Rolle, wenn er zunächst beratend tätig war und anschließend mit der außergerichtlichen Vertretung beauftragt wurde.
Beispiel 1: In einer Unterhaltssache hat der Anwalt den Mandanten beraten und mit ihm eine pauschale Vergütung in Höhe von 400 EUR vereinbart. Anschließend kommt es zur außergerichtlichen Vertretung, für die der Anwalt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG verdient.
Grundsätzlich wäre jetzt bei der Geschäftsgebühr im Rahmen des § 14 Abs. 1 RVG zu berücksichtigen, dass die außergerichtliche Vertretung eine geringere Schwierigkeit bereitet und einen geringeren Umfang hat, weil der Anwalt auf die Vorbefassung anlässlich seiner Beratungstätigkeit zurückgreifen kann. Dies würde den Anwalt allerdings doppelt "bestrafen", da die Beratungsgebühr nach § 34 Abs. 2 RVG ja in voller Höhe auf die Geschäftsgebühr anzurechnen ist.
Um diese Doppelverwertung der Vorbefassung auszuschließen, hat der Gesetzgeber im neuen § 14a Abs. 2 RVG geregelt, dass in Anrechnungsfällen die Vorbefassung nicht mindernd berücksichtigt werden darf. Das bedeutet, dass der Anwalt im vorgenannten Beispiel seine Geschäftsgebühr zunächst so berechnet, als sei er zuvor nicht tätig gewesen. Die Vorbefassung wird dann ausschließlich durch die Anrechnung der Beratungsgebühr (§ 34 Abs. 2 RVG) kompensiert.
III. Anrechnung mehrerer Geschäftsgebühren
In der Praxis stellt sich oft das Problem, dass der Anwalt außergerichtlich hinsichtlich verschiedener Angelegenheiten tätig war und damit mehrere Geschäftsgebühren verdient hat, es dann aber nur zu einem gerichtlichen Verfahren kommt, so dass mehrere Geschäftsgebühren auf eine Verfahrensgebühr anzurechnen sind. Solche Konstellationen kommen häufig im Scheidungsverbundverfahren vor. Ungeachtet der Entscheidung des BGH vom 29.10.2020 können außergerichtlich hinsichtlich der einzelnen Familiensachen durchaus verschiedene Angelegenheiten vorliegen, so dass mehrere Geschäftsgebühren anfallen. Kommt es dann zu einem Scheidungsverbundverfahren und werden diese Familiensachen als Folgesachen dem Verbund hinzugeschlagen, fällt aber nur eine einzige Verfahrensgebühr an. Es stellt sich dann die Frage, wie mehrere Geschäftsgebühren aus Teilwerten auf eine Geschäftsgebühr aus dem Gesamtwert anzurechnen sind.
Beispiel 2: Der Anwalt war außergerichtlich jeweils gesondert tätig hinsichtlich des Zugewinns (Wert 30.000 EUR), der Regelung der Ehewohnung für die Zeit nach der Scheidung (4.000 EUR) sowie des nachehelichen Unterhalts (7.200 EUR). Anschließend kam es zur Scheidung (Ehesache 9.000 EUR, Versorgungsausgleich 1.800 EUR), bei der Zugewinn, Ehewohnung und Unterhalt als Folgesache anhängig gemacht wurden.
Außergerichtlich war wie folgt abzurechnen:
I. Zugewinn (Wert: 30.000 EUR)
1. |
1,8-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG |
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1.719,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.739,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
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330,41 EUR |
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Gesamt |
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2.069,41 EUR |
II. Ehewo...