I. Einführung

Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF) erstattete ein Rechtsgutachten[1] zu der Frage des Umgangsrechts eines nichtehelichen Vaters mit dem durch Vergewaltigung gezeugten Kind. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Eine Frau wurde von einem Asylanten vergewaltigt. Sein Asylantrag wurde rechtskräftig abgelehnt. Eine Ausweisung konnte nicht erfolgen, weil das Strafverfahren noch anhängig war. Durch die Vergewaltigung wurde ein Kind gezeugt. Die Frau hat sich gegen die Abtreibung entschieden. Nach dessen Geburt beantragte der Vergewaltiger die Feststellung seiner Vaterschaft, um in der Bundesrepublik Deutschland zu bleiben. Er strebte die Ausübung von Umgangskontakten an. Die Mutter behauptete, mit der Belastung nicht fertig zu werden, wenn dem Vater ein regelmäßiges Umgangsrecht eingeräumt werden würde.

Das DIJuF befürwortete das Umgangsrecht. Es berief sich auf § 1626 Abs. 3 S. 1 BGB, wonach zum Wohl des Kindes in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen gehört. Der Ausschluss des Umgangsrechts ist nur nach Maßgabe des § 1684 Abs. 4 S. 1 BGB möglich, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Die Vergewaltigte hätte die rechtliche Möglichkeit gehabt, die Schwangerschaft nach § 218a Abs. 3 StGB abbrechen zu lassen. Da sie sich aber für die Geburt des Kindes entschieden hat, muss sie nach Feststellung der Vaterschaft die Rechtsfolgen in Kauf nehmen, d.h. sie muss dem Vergewaltiger das Umgangsrecht einräumen.

Auch der Familienrichter hat sich für den Umgang des nichtehelichen Vaters mit dem Kind ausgesprochen.

In diesem Zusammenhang stellt sich aber die Frage, ob diese Rechtsansichten dem Fall überhaupt gerecht werden. Die Besonderheit dieses Rechtsfalles liegt darin, dass ihm ein Dreiecksverhältnis zwischen mehreren Beteiligten zugrunde liegt: Mutter – nichtehelicher Vater – Kind. Bei der Abwägung der Rechte der einzelnen Rechtssubjekte untereinander ist zu beachten, dass sowohl die Mutter wie auch der nichteheliche Vater versuchen werden, jeweils ihre Rechtsposition in den Vordergrund zu schieben, damit die eigene Positionen zulasten des anderen durchgesetzt werden kann.

[1] JAmt (DAVorm), 2001, 540 f.

II. Die rechtliche Würdigung des Rechtsgutachtens

Ratgeber für Rechtsgutachten argumentieren juristisch einwandfrei, wenn sie im konkreten Fall nach sorgfältiger Aufklärung des Sachverhalts diesen unter das infrage kommende Gesetz subsumieren, danach den schlüssigen und erheblichen Vortrag der Beteiligten im Hinblick auf jedes einzelne Tatbestandsmerkmal der Norm(en) prüfen und (evtl.) auch entstehende Rechtsfolgen abwägen.[2]

Im Fall des Umgangsrechts eines Vergewaltigers hat das DIJuF zutreffend die §§ 1626 Abs. 3 S. 1, 1684 Abs. 1 BGB in Betracht gezogen. Diesen Bestimmungen liegt ein Dreiecksverhältnis zwischen mehreren Beteiligten zugrunde: Mutter, nichtehelicher Vater und Kind. Mit Rücksicht hierauf werden die Rechtspositionen dieser Personen im Folgenden geprüft.

[2] Sendler, Zur richterlichen Folgenberücksichtigung und Verantwortung, S. 138 ff, in: Festschrift für Helmut Simon, Ein Richter, ein Bürger, ein Christ, hrsg. von Willy Brandt/Helmut Gollwitzer/Johann Friedrich Hensche, 1. Aufl. 1987.

1. Die Rechtsposition des nichtehelichen Vaters

Der Vergewaltiger ist Ausländer. Auch ihm steht ein Umgangsrecht zu. Sein Umgangsrecht darf durch ausländerrechtliche Maßnahmen nicht vereitelt werden.[3] Denn nach Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG, wonach der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, hat die Ausländerbehörde die bestehende familiäre Bindung des Ausländers zu seinem Kind stets zu berücksichtigen.[4] Aufgrund dieser Rechtsposition wird der Vergewaltiger alle rechtlich möglichen Schritte unternehmen, damit diese Schutzgarantie auch für ihn greift.

Bezogen auf den juristischen Eingangsfall herrscht wahrscheinlich Übereinstimmung dahingehend, dass der Vergewaltiger rechtlich keine Bevorzugung verdienen darf. Denn seine abscheuliche Tat hat erst die zivilrechtlichen Folgen hervorgebracht. Ohne diese Tat wäre es nicht zur Vaterschaftsfeststellung und anschließend zur Anregung des Umgangsrechts gekommen.

Um unerträgliche Folgewirkungen zu vermeiden, gibt es in den USA den sog. Rape Survivor Child Custody Act. Es handelt sich hierbei um ein Vergewaltigungskindergesetz der Obama-Regierung aus dem Jahr 2015. Dieses Gesetz enthält bislang noch keine Bestimmung, wonach der Täter bei einer Vergewaltigung mit Schwangerschaftsfolge automatisch seine Vaterschaftsrechte verliert. Es besteht aber durchaus die Möglichkeit, dass es zu einer derartigen Regelung kommt. Auch in der Bundesrepublik Deutschland gibt es kein Gesetz, wonach der Täter bei einer Vergewaltigung mit Schwangerschaftsfolge automatisch seine Vaterschaftsrechte verliert. Maßgebend ist hier stets die Prüfung des Kindeswohls.

[3] BVerfG FamRZ 2003, 1082 = NJW 2003, 3547 = JAmt 2003, 613 = ZfJ 2004, 109; VGH Baden-Württemberg, FamRZ 2004, 543 (LS).

2. Die Rechtsposition der Mutter

Das Rechtsgutachten sagt lediglich, dass die Mutter mit der Belastung nicht fertig wird, wenn dem Vergewaltiger ein regelmäßiges Besuchsrecht einge...

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