Der BGH hat sich in zwei parallel laufenden Verfahren streitender Kindeseltern ein einmal zum Sorgerecht und einmal zum Umgangsrecht geäußert. Hintergrund beider Entscheidungen war der Streit der Beteiligten um das Sorge- und Umgangsrecht für die drei gemeinsamen Kinder. Im Jahre 2014 wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Kindesmutter übertragen, bei der die Kinder auch im Wesentlichen lebten. Der Vater beantragte eine Abänderung dieser Entscheidung und eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich. Hilfsweise beantragte er die Einrichtung eines paritätischen Wechselmodells. Auf den Hilfsantrag hin hat das Familiengericht von Amts wegen ein Umgangsrechtsverfahren eingeleitet und im Ergebnis die Einrichtung eines paritätischen Wechselmodells abgelehnt. Weiter hat es den Antrag des Kindesvaters auf Änderung der bestehenden sorgerechtlichen Entscheidung nach § 1696 BGB zurückgewiesen. Im Sorgerechtsverfahren haben sich die 2008 und 2009 geborenen Kinder wiederholt geäußert, zum Kindesvater ziehen zu wollen.
Interessant für die Praxis ist diese Entscheidung des BGH in zweierlei Hinsicht. Einmal, weil der BGH dem erklärten Willen der Kinder, zum Kindesvater ziehen zu wollen, zu dem sie auch eine gute Bindung besaßen, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat, weil der so geäußerte Kindeswille dem Kindeswohl widerspreche. Hinsichtlich der Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters, insbesondere seiner Bindungstoleranz, seien deutliche Abstriche zu machen. Der Kindesvater vermöge es nach wie vor weniger als die Kindesmutter, den Kindern zu ihrer Entwicklung Freiräume zu gewähren und dabei eigene Bedürfnisse hinten anzustellen. In diesem Zusammenhang sei auch das über Jahre hinweg wiederholte und drängende Einwirken auf die Kinder negativ zu gewichten. Erzieherische Defizite des Kindesvaters beträfen auch die Vermittlung von Regeln und Grenzen; weiter lasse er es an der notwendigen Loyalität zur Kindesmutter als dem anderen Elternteil fehlen. Der zweite Aspekt ist für die Praxis im Rahmen der Beschwerdeverfahren von Interesse, weil der BGH nicht beanstandet hat, dass das OLG die Kinder nicht erneut angehört hat. Er begründet dies damit, dass die Kinder vor dem AG in beiden Parallelverfahren insgesamt dreimal angehört worden seien und sowohl das Jugendamt als auch der Verfahrensbeistand darauf hingewiesen hätten, dass die Kinder durch den in beiden Verfahren ausgetragenen Elternkonflikt erheblich belastet seien. Der Verfahrensbeistand habe es dementsprechend als berufener Interessenvertreter der Kinder ausdrücklich für richtig gehalten, dass die Kinder in der Beschwerdeinstanz nicht erneut angehört worden sind. Weiter sei beachtlich, dass der Wille der Kinder und ihre Motivation aufgrund der erstinstanzlichen Anhörungen und des eingeholten Sachverständigengutachtens ausführlich untersucht worden seien.
In einer weiteren Entscheidung des BGH vom 29.4.2020 stand die Frage zur Entscheidung an, ob eine Sorgerechtsübertragung trotz bestehender Sorgerechtsvollmacht möglich sei. Dem Fall zugrunde lag ein erneuter Sorgerechtsantrag der Kindesmutter, obwohl sie schon in einem ersten Verfahren das Aufenthaltsbestimmungsrecht zur alleinigen Ausübung übertragen bekommen hatte und der Kindesvater ihr in einem zweiten Sorgerechtsverfahren eine Sorgerechtsvollmacht ausgestellt hatte. Der BGH erklärt in dieser für die Praxis wichtigen Entscheidung die Grundsätze, nach denen die Sorgerechtsübertragung trotz bestehender Sorgerechtsvollmacht in Betracht kommt. Grundsätzlich könne die Bevollmächtigung eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts nach § 1671 Abs. 1 BGB entbehrlich machen, wenn sie dem bevollmächtigten Elternteil eine ausreichend verlässliche Handhabe zur alleinigen Wahrnehmung der Kindesbelange gebe. Hierfür sei allerdings, so der BGH, eine ausreichende Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern erforderlich, soweit eine solche auch unter Berücksichtigung des durch die Vollmacht erweiterten Handlungsspielraums des bevollmächtigten Elternteils unerlässlich sei. Nicht entscheidend sei hingegen der Umstand, ob und gegebenenfalls mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Widerruf der Vollmacht zu erwarten sei: die Möglichkeit des Widerrufs schließe es nicht aus, dass die Vollmacht eine Sorgerechtsübertragung überflüssig mache. Ein Widerruf der Vollmacht komme daher nur dann zum Tragen, wenn er tatsächlich erklärt worden sei. Vorliegend hätte jedoch berücksichtigt werden müssen, dass die Kindesmutter geltend gemacht habe, dass sich die Vollmacht in verschiedenen Angelegenheiten als nicht ausreichend erwiesen und der Kindesvater die notwendige Mitwirkung trotz Aufforderung nicht geleistet habe (Anmeldung des Kindes in der Kindertagesstätte, Antrag auf Vornamensänderung und eine "Anmeldung" des Kindes beim kroatischen Konsulat in Frankfurt a. M., für die trotz der Vollmacht auch jeweils weitere Erklärungen und Unterlagen des Kindesvaters verlangt worden seien).Von dem das Kind ...