Eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Streitigkeiten von der Intensität und Dauer her ein solches Niveau erreicht haben, dass von einer nachhaltigen Zerrüttung der Elternbeziehung auszugehen ist. Eine solche ist allerdings nicht bei bloßen Meinungsverschiedenheiten oder Kommunikationsschwierigkeiten anzunehmen. Auch die bloße Behauptung eines Elternteils, die Elternbeziehung sei zerrüttet, genügt nicht. Soweit zum Teil vertreten wird, dass die Hürden für eine Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht zu hoch angesetzt werden sollten, beachtet diese Auffassung m.E. nicht ausreichend die gesetzliche Leitbildfunktion der gemeinsamen elterlichen Sorge und den Schutz des Mitsorgerechts durch Art. 6 GG.
Die Zerrüttung muss anhand konkreter Umstände feststellbar sein. Kennzeichnend können lang andauernde Streitigkeiten – auch über unwesentliche Fragen – verbunden mit einer Vielzahl von Sorge- und Umgangsstreitigkeiten vor den Familiengerichten sein. Typisch ist auch, dass eine Vielzahl von gerichtlichen und außergerichtlichen Vermittlungsbemühungen gescheitert sind und wechselseitig massive Vorwürfe ("Erziehungsunfähigkeit") erhoben werden. In der gerichtlichen Praxis des Verfassers gab es Fälle, in denen über 50 Stunden Erziehungsberatung nicht zu einer Annäherung der Standpunkte führten. Bejaht wurde eine Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge, wenn die Eltern sich gegenseitig "hassen", fortwährend beschimpfen und verunglimpfen, ausufernd und in ehrverletzender Weise beschuldigen bzw. wechselseitig umfassend der Lüge bezichtigen.
Im Einzelfall ist es dann Aufgabe des Familiengerichts, unter Mitwirkung der Beteiligten herauszufinden, in welchen Fällen es lediglich um Meinungsverschiedenheiten oder Kommunikationsschwierigkeiten geht und wann eine nachhaltige Einigungsunfähigkeit anzunehmen ist. Hierbei gilt: Je intensiver, destruktiver und dauerhafter die Streitigkeiten zwischen den Kindeseltern sind, desto eher sind die Voraussetzungen für eine Auflösung der elterlichen Sorge gegeben.
Eine weitere Voraussetzung für die Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist, dass auch in der Zukunft nicht zu erwarten ist, dass die Kindeseltern zum Wohl des Kindes zusammenwirken werden. Eine wichtige Indizfunktion hat hierbei das bisherige Verhalten der Kindeseltern auch im Rahmen von gerichtlichen Auseinandersetzungen.
Der Umstand, dass beim Familiengericht Sorgerechtsanträge gestellt wurden, sollte aber nicht überbewertet werden. Insoweit bedarf es immer einer genauen Prüfung des Einzelfalls. Auch das Scheitern von Mediationen oder einer Erziehungsberatung spricht gegen eine positive Prognose.