Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung der Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen für ein sogenanntes Privatgutachten sind dem Grunde nach erstattungsfähig, wenn die Einholung des Gutachtens aus der Sicht der betroffenen Partei in der konkreten prozessualen Situation nach objektiven Maßstäben eines verständigen Prozessbeteiligten für förderlich gehalten werden konnte und sein Gegenstand fachlich über den Inhalt normaler Prozessführung und die üblichen eigenen Aufgaben der klagenden Partei und ihres Prozessbevollmächtigten hinausging. Der Höhe nach sind nur die Kosten erstattungsfähig, als sie höchstens für das Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen entstanden wären.
Normenkette
FGO § 139 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, inwieweit die Kosten eines vom Erinnerungsführer und früheren Kläger (Kläger) eingeholten Wertgutachtens als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Aufwendungen erstattungsfähig sind (§ 139 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Im Klageverfahren zwischen dem Kläger und dem Erinnerungsgegner (dem Finanzamt -FA-) war umstritten, ob ein vom Kläger für seine Betriebsstätte in Berlin (West) angeschafftes Kranfahrzeug aus der Betriebsstätte ausgeschieden sei, weil es durch einen Unfall derart beschädigt worden war, dass die Kosten der Wiederherstellung den Zeitwert voraussichtlich erreichen würden (Totalschaden). Das FA hatte dies verneint, weil die Wiederherstellungskosten auch bei einer angenommenen Höhe von 585.000 DM den Wert des Geräts nicht erreicht hätten, der durch objektive Schätzung eines unabhängigen Sachverständigen auf 620.000 DM geschätzt worden sei. Der Kläger hatte dazu im außergerichtlichen Verfahren ein Sachverständigengutachten vom 12. Juli 1986 vorgelegt, das für Zwecke der Kaskoversicherung erstellt worden war und den Zeitwert zur Zeit des mit dem Gerät erlittenen Unfalls auf 620.000 DM geschätzt hatte.
Nach Erhebung der Klage gegen den Bescheid über die Rückforderung von Investitionszulage in Form der Einspruchsentscheidung vom 24. Juni 1993 holte der Kläger bei dem bereits für die Kaskoversicherung tätig gewesenen Sachverständigen ein Ergänzungsgutachten ein, das mit Datum vom 16. Oktober 1993 erstattet wurde. Darin wurde der Verkehrswert des Unfallfahrzeugs nach der Reparatur per 31. Oktober 1986 unter Einbeziehung merkantiler Wertminderung auf 550.000 DM (netto) geschätzt.
Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 1993 ließ der Kläger die Klage begründen, ohne auf das genannte Gutachten Bezug zu nehmen oder dieses vorzulegen. Auch in späteren Schriftsätzen wurde das Gutachten nicht erwähnt, sondern lediglich beantragt, „erforderlichenfalls den Gutachter… zu hören” (Schriftsatz vom 3. Februar 1994). Erst nachdem der Berichterstatter mit Kurzmitteilung vom 30. März 1998 zur Vorbereitung der für den 23. April 1998 vorgesehenen mündlichen Verhandlung verschiedene Unterlagen angefordert hatte und am 8. April sowie am 20. April 1998 mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers Sachverhaltsfragen telefonisch erörtert hatte, wobei erwähnt wurde, dass ein neueres Sachverständigengutachten vorliege, wurde das Gutachten vom 16. Oktober 1993 mit Schriftsatz vom 21. April 1998 dem Gericht übermittelt. Es war Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 23. April 1998, aufgrund der der Senat der Klage durch inzwischen rechtskräftiges Urteil stattgegeben hat.
Mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 11. September 1998 wurde für den Kläger die Erstattung unter anderem der Kosten des „zur Klagebegründung notwendigen Bewertungsgutachtens des Sachverständigen” vom 16. Oktober 1993 gemäß dessen Rechnung in Höhe von 3.300 DM (netto) beantragt. Der Gutachter erläuterte seine Rechnung später (Schreiben vom 15. Juni 1999 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers) dahin, für 19,5 Stunden Zeitaufwand seien je 165 DM berechnet worden. Zu dem Betrag von 3.217,50 DM seien 82,50 DM Nebenkosten für Textverarbeitung und Barauslagen hinzuzurechnen gewesen. Nach der Beschaffung der Akte aus den Archivunterlagen des Jahres 1986 sei die Durcharbeitung des damaligen Gutachtens und der Schadensakte sowie das Studium bestimmter fachlicher Veröffentlichungen über die Bewertung beweglicher Wirtschaftsgüter erforderlich gewesen.
Nachdem das FA dem Kostenfestsetzungsantrag widersprochen hatte, berücksichtigte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. Oktober 1998 die Kosten für das Privatgutachten nicht, weil sie nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien, da der Kläger den Sachverhalt dem Gericht auch ohne Gutachten habe vortragen können. Ein Fall einer Ausnahme von dieser Regel liege hier nicht vor.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nach dessen Empfangsbekenntnis am 4. November 1998 zugestellt (§ 5 Abs. 2 Verwaltungszustellungsgesetz -VwZG-). Er enthält die Rechtsbehelfsbelehrung, dass innerhalb von zwei Wochen nach der Bekanntgabe die Erinnerung beim Finanzgericht eingel...