Entscheidungsstichwort (Thema)
Unentgeltliches dingliches Mitbenutzungsrecht des Lebensgefährten an bereits seit Jahren gemeinsam bewohntem Haus. Schenkungsteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Die unentgeltliche Einräumung eines notariellen Mitbenutzungsrechts an der im Rahmen einer Lebensgemeinschaft bereits seit 16 Jahren gemeinsam bewohnten Wohnung stellt keine schenkungsteuerpflichtige Zuwendung dar. Allein dadurch, dass der bereits jahrelang bestehende tatsächliche Zustand nunmehr notariell fixiert wird, tritt keine Entreicherung beim Eigentümer ein. An der im Beschluss vom 19.8.2004 4 V 1632/04 vertretenen Auffassung wird insoweit nicht mehr festgehalten.
2. Die Verpflichtung, mit einer dritten Person alle Wohnräume einer Wohnung teilen zu müssen, bzw. das entsprechende Nutzungsrecht, ist nicht bewertungsfähig, insbesondere nicht mit der Hälfte des Mietwerts.
Normenkette
ErbStG 1997 § 7 Abs. 1 Nr. 2; ErbSt § 10 Abs. 5 Nr. 1; ErbStG 1997 § 10 Abs. 5 Nr. 3; BewG 1991 § 9 Abs. 2 S. 3
Tenor
1. Der Schenkungsteuerbescheid vom 18.12.2002 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 15.04.2003 und der Einspruchsentscheidung vom 03.03.2004 sowie der Änderungsbescheid vom 02.01.2006 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob es sich bei der unentgeltlichen dinglichen Einräumung eines Mitbenutzungsrechts an einem bisher gemeinsam bewohnten Zweifamilienhaus der Lebensgefährtin um einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang handelt.
I.
Mit notarieller Urkunde (V 255/2000) vom 13.07.2000 räumte Frau I (geboren am 18.09.1927) ihrem langjährigen Lebensgefährten (Blatt 12/FA-Akte), dem Kläger, ein lebenslängliches, unentgeltliches Mitbenutzungsrecht an allen Räumen ihres Zweifamilienhauses (216 qm Wohnfläche) und des gesamten Grundstückes (750 qm), ein. Dies wurde im Grundbuch eingetragen. Der Kläger hatte keine umlagefähigen und nicht umlagefähigen Kosten an die Schenkerin zu bezahlen.
Mit gleicher Urkunde bestellte Frau I dem Kläger ein Nießbrauchsrecht auf Lebzeiten an diesem Grundstück, welches jedoch erst bei ihrem Tod in Kraft treten sollte. Den Kläger hatte sie zuvor bereits als ihren Alleinerben mit Testament vom 09.02.1999 eingesetzt. Am 12.05.2005 heiratete sie den Kläger. Am 02.08.2005 starb Frau I.
Unter Berücksichtigung der Angaben der Schenkungsteuererklärung vom 25.11.2002 und des vom Finanzamt M festgestellten Grundstückswerts setzte der Beklagte, das Finanzamt, mit Bescheid vom 18.12.2002 Schenkungsteuer in Höhe von 32.291,61 EUR (= 63.020 DM) in Steuerklasse III fest (Blatt 31/FA-Akte). Die Bewertung des zugewendeten Mitbenutzungsrechts setzte es mit dem Kapitalwert des hälftigen Jahresmietwerts an.
Aufgrund des Antrags des Klägers vom 11.02.2003 stellte das Finanzamt mit Änderungsbescheid vom 15.04.2003 während des Einspruchverfahrens die Besteuerung auf Jahresversteuerung nach § 23 ErbStG um. Der Einspruch gegen den Schenkungsteuerbescheid blieb erfolglos (siehe Einspruchsentscheidung – EE – vom 03.03.2004). Wegen der Frage der Verfassungsmöglichkeit des ErbStG blieb die Steuerfestsetzung weiterhin in vollen Umfang vorläufig gemäß § 165 Abs. 2 AO.
Mit der Klage trägt der Kläger vor, dass durch die Einräumung des Mitbenutzungsrechts weder eine Entreicherung bei der Zuwendenden noch eine Bereicherung bei ihm eingetreten sei, weil diese Mitbenutzung schon seit Jahren im Rahmen der nicht ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgt sei und entsprechend der Rechtsprechung des BGH (BGHE 132,820) und des BFH (BStBl II 1984, 371) die Gebrauchsüberlassung einer Sache keine das Vermögen mindernde Zuwendung sei. Die dingliche Absicherung sei nur aus formalen Gründen erfolgt. Für den Fall der Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft hätte die Zuwendende einen Löschungsanspruch wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage gehabt. Die Streitsache sei dem Fall vergleichbar, über den das FG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 02.04.2002 Az.: 4K 1869/01 DStR 2002/1078 entschieden habe. Der Kläger habe stets seit 16 Jahren dort mit seiner Lebensgefährtin unentgeltlich gewohnt. Lediglich im Jahr 1999 und 2000 habe die Zuwendende negative Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung dieses Hauses erklärt (./. 8 DM und ./. 136 DM siehe Blatt 58/FG-Akte), die jedoch nicht von Mietzinszahlungen des Klägers stammten (Blatt 59/FG-Akte). Der Kläger habe bereits vor Abschluss des notariellen Vertrags schuldrechtlich vereinbart, dass er aufgrund der Lebensgemeinschaft das Anwesen unentgeltlich mitbenutzen dürfe. Erst nach dem Ableben seiner Lebensgefährtin liege bei ihm eine Bereicherung vor, die ihm jedoch bereits durch die Einsetzung als Alleinerbe verschafft worden sei.
Mit Änderungsbescheid vom 02.01.2006 (Bl. 93/FG-Akte) setzte das Finanzam...