Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungswidrigkeit der Grundbesitzwerte für Zwecke der Grunderwerbsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Es bestehen ernsthafte verfassungsrechtliche Zweifel an der Feststellung der Grundbesitzwerte nach Maßgabe der § 8 Abs. 2 GrEStG i.V. mit §§ 138 ff. BewG als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer.

2) Überwiegende öffentliche Interessen stehen einer Aussetzung der Vollziehung der gesondert festgestellten Grundbesitzwerte nicht entgegen.

3) Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass das BVerfG die streitigen Normen mit Wirkung für die Vergangenheit (ex tunc) ab dem 1.1.2009 für nichtig erklärt.

 

Normenkette

BewG § 138 ff; FGO § 69; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4; GrEStG § 8 Abs. 2

 

Tatbestand

I.

In der Hauptsache ist die Rechtmäßigkeit der gesonderten Feststellung von Grundbesitzwerten auf den 19.10.2009 für Zwecke der Grunderwerbsteuer streitig.

Die Antragstellerin ist eine GmbH. Mit notariellem Spaltungs- und Aufgliederungsvertrag vom 27.08.2009 (UR-Nr. xx/20xx des Notars X. B.) sowie des Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung vom 27.08.2009 wurde das gesamte bewegliche und unbewegliche Betriebsvermögen (Aktiv- und Passivvermögen) des Einzelunternehmens Firma Fleischerei E. – T. E. in C auf die bereits bestehende Stadtfleischerei J GmbH (nach der Umfirmierung E GmbH) als übernehmender Rechtsträger ausgegliedert und als Gesamtheit übertragen.

Mit dem Vertrag sind unter anderem das 5.485 qm große, im Jahre 1973 bebaute Grundstück P-straße in C (Grundbuch von T I, Blatt xxxx, Flur y, Flurstück nnn) und das 3.308 qm große, 1968 bebaute Grundstück V-straße in C (Grundbuch von R, Blatt xxxx, Flur y, Flurstück mmm) übertragen worden. Die Einheitswerte betragen für das Grundstück P-straße 357.900 DM und für das Grundstück V-straße 307.900 DM.

Ausweislich der seitens der Prozessvertreter der Antragstellerin eingereichten Erklärungen zur Feststellung des Bedarfswerts wird das Grundstück P-straße als Fleischerei nebst Laden, Büro, Mehrzweckräumen und Freiflächen in vollem Umfang und das Grundstück V-straße als Großküche nebst Lager sowie Park- und Freiflächen überwiegend eigengenutzt. Als übliche Monatsmieten für die eigengenutzten Grundstücksteile wurden für das Grundstück P-straße insgesamt 4.628 Euro und für das Grundstück V-straße insgesamt 3.062 Euro angegeben. In dem Gebäude V-straße befindet sich darüber hinaus eine für monatlich 634 Euro vermietete Wohnung. Zu den Einzelheiten wird auf die Erklärungen zur Feststellung der Bedarfswerte verwiesen.

Nach entsprechenden innerbehördlichen Anfragen stellte der Antragsgegner den Grundbesitzwert auf den 19.10.2009 für Zwecke der Grunderwerbsteuer für das Grundstück P-straße auf 569.000 Euro und für das Grundstück V-straße auf 516.000 Euro fest. Dabei wandte der Antragsgegner § 8 Abs. 2 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) i. V. m. §§ 138, 146 Bewertungsgesetz (BewG) an.

Bei dem Grundstück P-straße ging der Antragsgegner von der erklärten üblichen Monatsmiete von 4.628 Euro aus, wandte hierauf den Vervielfältiger von 12,5 an und berücksichtigte entsprechend dem Baujahr des Gebäudes (1973) einen Abschlag wegen Alterswertminderung von 18 %. Bei dem Grundstück V-straße ging der Antragsgegner von einer üblichen Monatsmiete von insgesamt 3.696 Euro und einer vereinbarten Monatsmiete von 634 Euro aus, wandte hierauf den Vervielfältiger von 12,5 an und berücksichtigte entsprechend dem Baujahr des Gebäudes (1968) einen Abschlag wegen Alterswertminderung von 20,5 %. Zu den Einzelheiten der Berechnungen der Bedarfswerte wird auf die Feststellungsbescheide vom 19.01.2010 verwiesen.

Gegen die Feststellungsbescheide legte die Antragstellerin jeweils am 04.02.2010 Einspruch ein und beantragte am 18.02.2010 die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide. Über die Einsprüche ist noch nicht entschieden.

Zu Begründung der Einsprüche beruft sich die Antragstellerin auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 07.11.2006 (1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192) sowie auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27.05.2009 (II R 64/08, BFHE 225, 508, BStBl II 2009, 856). Die angefochtene Bewertung sei nach den Vorschriften der §§ 138 ff. BewG erfolgt. Diese Vorschriften habe das BVerfG als verfassungswidrig eingestuft. Da der BFH verfassungsrechtliche Bedenken an der Anwendung dieser Vorschriften als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer geäußert habe, sei darüber hinaus die Aussetzung der Vollziehung nach § 361 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) auszusprechen.

Der Antragsgegner lehnte die Aussetzung der Vollziehung durch Bescheide vom 26.02.2010 ab. Auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des BFH vom 27.05.2009 (II R 64/08, a. a. O.) bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der gesonderten Feststellung der Grundbesitzwerte auf den 19.10.2009 für Zwecke der Grunderwerbsteuer. Nach geltendem Recht seien die Grundbesitzwerte der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen.

Mit ihrem Antrag vom 04.03.2...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?