Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuerpflicht von Rentenversicherungsbeiträgen

 

Leitsatz (redaktionell)

Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung im Zusammenhang mit Erwerbsschadensrenten, die gemäß § 119 SGB X unmittelbar an den Sozialversicherungsträger geleistet werden, unterliegen der Einkommensteuerpflicht.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 2 S. 2, Abs. 3 S. 3; SGB-X § 119

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung im Zusammenhang mit Erwerbsschadensrenten, die gemäß § 119 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB X - unmittelbar an den Sozialversicherungsträger geleistet werden, einkommensteuerpflichtig sind. Als Ergebnis der mündlichen Verhandlung bezieht sich dieser Streit - aufgrund eingetretener Festsetzungsverjährung - nur noch auf die Veranlagungsjahre 2007 bis 2010.

Der Kläger bezieht seit einem schweren Verkehrsunfall im Jahr 1989 von der Versicherung des Unfallverursachers eine Erwerbsschadensrente als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit.

Teil des Erwerbsschadens sind auch die von der Versicherung des Unfallversicherers unmittelbar an die Deutsche Rentenversicherung geleisteten Rentenversicherungsbeiträge. Dieser Anspruch auf zusätzliche Beitragszahlungen ist kraft Gesetzes nach § 119 SGB X vom Kläger auf die Deutsche Rentenversicherung übergegangen.

Im Rahmen der Erstellung des Erwerbsschadensgutachtens für den Kläger wurde durch die Prozessbevollmächtigten festgestellt, dass die von der Haftpflichtversicherung an die Deutsche Rentenversicherung zum Ausgleich der Rentenkürzung gezahlten fiktiven Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge bisher nicht versteuert wurden. Die Versicherung des Unfallverursachers vertrat hierzu die Auffassung, dass die im Wege des Beitragsregresses auf die Deutsche Rentenversicherung übergegangenen Ansprüche bzw. hierauf geleistete Zahlungen dem Kläger nicht zugeflossen und damit von ihm auch nicht zu versteuern sind. Die daraufhin von den Prozessbevollmächtigten beim Bayerischen Landesamt für Steuern eingeholte Rechtsauskunft bejahte hingegen die Steuerpflicht der im Wege des Beitragsregresses direkt an die Deutsche Rentenversicherung geleisteten Rentenversicherungsbeiträge.

Auf der Grundlage der von den Prozessbevollmächtigten am 17.11.2011 nacherklärten Beitragszahlungen an die Deutsche Rentenversicherung erließ das beklagte Finanzamt am 21.08.2012 für die Streitjahre nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO - geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen die gezahlten Beiträge im jeweiligen Jahr als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 des Einkommensteuergesetzes - EStG - und zugleich im Rahmen der gesetzlichen Abzugsfähigkeit als Sonderausgaben angesetzt wurden. In allen Änderungsbescheiden heißt es einheitlich unter "Erläuterungen zur Festsetzung":

"Gemäß Vorsprache von Hr. am 17.11.2011 sowie Telefonat vom 11.07.2012 wird die Zahlung des Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteils durch die Versicherung an die gesetzliche Rentenversicherung als Einnahme aus nichtselbständiger Arbeit besteuert, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG i.V.m. § 19 EStG. Ansatz Eink. aus nichtselbständiger Arbeit: [genaue Aufschlüsselung des Betrages]; Ansatz des Gesamtsozialversicherungsbeitrages: [genaue Aufschlüsselung des Betrages]."

Für alle Streitjahre zusammen ergaben sich somit Nachzahlungen in Höhe von insgesamt 2.185,90 €, im Einzelnen wie folgt:

(Streit-)Jahr

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit

beschränkt abziehbare Sonderausgaben

festgesetzte Einkommensteuer

Zinsen zur Einkommensteuer

Solidaritätszuschlag

zusammen

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

2007

+ 4.266,00

+ 2.480,00

+ 490,00

+ 90,00

+ 26,95

+ 606,95

2008

+ 4.388,00

+ 2.610,00

+ 491,00

+ 63,00

+ 27,01

+ 581,01

2009

+ 4.512,00

+ 2.746,00

+ 536,00

+ 40,00

+ 29,48

+ 605,48

2010

+ 4.638,00

+ 3.247,00

+ 372,00

+ 20,46

+ 392,46

Gesamtsumme

+ 2.185,90

Da die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers trotz Vorlage der Rechtsauskunft des Bayerischen Landesamtes für Steuern unverändert an ihrer Rechtsauffassung, die an die Deutsche Rentenversicherung geleisteten Beiträge seien nicht steuerpflichtig, festhielt, sah sich der Kläger gezwungen, gegen die Änderungsbescheide vom 21.08.2012 Einsprucheinzulegen.

In der Einspruchsbegründung betonten die Prozessbevollmächtigten, die als steuerpflichtigbehandelten nachträglich erklärten Beiträge seien aufgrund der Gesetzeslage bei den Sonderausgaben nicht voll berücksichtigt worden. Dies habe zu einer höheren Steuerfestsetzung geführt.

Nach zwischenzeitlichem Ruhen des Verfahrens (im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof - BFH - anhängige Revisionsverfahren IX R 13/10, erledigt mit Beschluss vom 22.08.2012 aufgrund Erledigung der Hauptsache) wurden die Einsprüche des Klägers mit Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 29.01.2013 zurückgewiesen.

Die Behörde folgte in ihrer Begründung (wortwörtlich) der Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 10.10.2011 und führte dementsprechend aus:

Zahlungen seien, sow...

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