Leitsatz
Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit in Zwangsvollstreckungssachen betreffenden Rechtsmittelverfahren ist in § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG nicht geregelt, sodass § 23 Abs. 3 S. 2 RVG zur Anwendung kommt.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.6.2023 – 26 W 1/23
1 Der Fall
Rechtsmittel gegen Zwangsgeldbeschluss
Mit Beschluss vom 19.12.2022 verhängte das LG gegen die Schuldnerin zur Erzwingung einer unvertretbaren Handlung zugunsten der Staatskasse ein Zwangsgeld in Höhe von 500 EUR, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, für je 500 EUR einen Tag Zwangshaft.
Gegen diesen Beschluss hat die Schuldnerin beim OLG sofortige Beschwerde eingelegt, worauf das OLG den Beschluss in der Form des Nichtabhilfebeschlusses aufgehoben und den Zwangsgeldantrag der Gläubiger zurückgewiesen hat. Streitig ist nun noch der Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens.
2 II. Die Entscheidung
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 33 Abs. 1 RVG auf 500 EUR festzusetzen.
OLG: Gegenstandswert wird durch die Höhe des Zwangsgeldes bestimmt
Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren richtet sich nach der Auffangregelung des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG, da der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit in Zwangsvollstreckungssachen betreffenden Rechtsmittelverfahren in § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG nicht geregelt ist (vgl. etwa VGH München, Beschl. v. 4.10.2012 – 6 C 10.1072, juris; Toussaint, in: ders. (Hrsg.), Kostenrecht, 53. Aufl. 2023, § 25 RVG Rn 28 m.w.N.).
Mangels Spezialregelung gilt billiges Ermessen
Nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG ist der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen.
Jedenfalls im Beschwerdeverfahren entspricht es dabei dem Interesse des Rechtsmittelführers, den Gegenstandswert nach der Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes zu bemessen (vgl. etwa LAG Hamm, 24.9.2007 – 10 Ta 692/06, BeckRS 2008, 50096; OLG Celle MDR 2014, 1170; Toussaint, in: ders. (Hrsg.), Kostenrecht, 53. Aufl. 2023, § 25 RVG Rn 28; Hansens, zfs 2020, 406, 407; Dürbeck, in: Prütting/Helms (Hrsg.), FamFG, 6. Aufl. 2023, § 35 Rn 25; Schneider, NZFam 2020, 513, 516). Dies gilt zumindest dann, wenn der Rechtsmittelführer – wie hier – nicht nur eine Herabsetzung des Zwangsgeldes, sondern eine Aufhebung des das Zwangsgeld festsetzenden Beschlusses begehrt. Daher ist der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Beschwerdeverfahren hier auf 500 EUR festzusetzen.
3 Der Praxistipp
Streitwertfestsetzung nach § 33 RVG
Die Streitwertfestsetzung erfolgt in Fällen der vorliegenden Art nur auf Antrag des Bevollmächtigten nach § 33 RVG. Berechnen sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert oder fehlt es an einem solchen Wert, setzt das Gericht des Rechtszugs danach den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest.
Da die Gerichtsgebühren im Beschwerdeverfahren als Festgebühren ausgestaltet sind (Nr. 2121 KV GKG), liegt die erste Alternative vor. Da sich die anwaltlichen Gebühren aus Nr. 3309 VV RVG dagegen nach dem Wert bestimmen, kann dieser gesondert festgesetzt werden.
Wertfestsetzung ist streitig
Das OLG hat sich für das Abstellen auf die Höhe des Zwangsgeldes im Rahmen der Streitwertfestsetzung nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG entschieden. Soweit sich der Gegenstandswert aus den §§ 22 ff. RVG nicht speziell geregelt ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er danach nach billigem Ermessen zu bestimmen. Dabei will das OLG offenbar zwischen dem eigentlichen Zwangsgeldverfahren und dem Rechtsmittelverfahren differenzieren. Das überzeugt nicht.
Nach anderer Auffassung ist der Wert nämlich nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG zu bestimmen, wonach dieser nach dem Wert, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat, zu bestimmen ist (Zöller/Seibel, ZPO, 34. Aufl. 2023, Rn 18; Musielak/Lackmann, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 888 Rn 16; Gruber, in MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 888 Rn 35; OLG München, 7.2.2018 – 13 W 101/18, juris; OLG Rostock, 26.9.2008 – 1 W 82/08, juris). Warum im Rechtsmittelverfahren über das Zwangsgeld anderes gelten soll, erschließt sich nicht, da hinter dieser Frage die Erzwingung der Handlung zur Hauptsache steht. Die Lösung dieser Auffassung liegt auch näher an der Grundregel des § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG, wonach es grundsätzlich auf die gesamte Vollstreckungsforderung ankommt. Auch der Wortlaut von § 25 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erwähnt ausdrücklich die Erzwingung einer Handlung. Dieses Ziel wird auch im Rechtsmittelverfahren um ein Zwangsgeld dem Grunde oder der Höhe nach primär verfolgt.
Abweichende Meinung verspricht höhere Gebühren
Die Verfahrensgebühr in der Zwangsvollstreckung ist schon vom Gebührensatz mit 0,3 kaum auskömmlich. Der Rechtsanwalt hat deshalb beim Gegenstandswert nichts zu verschenken und sollte sich stets auf die abweichende Auffassung berufen.
FoVo 10/2023, S. 199 - 200