Leitsatz
Auch in Verfahren, in denen kein Anwaltszwang besteht, muss die sofortige Beschwerde eines Rechtsanwalts seit dem 1.1.2022 elektronisch eingereicht werden. Eine postalische Übersendung oder eine Übermittlung per Fax ist formunwirksam.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.7.2022 – 26 W 4/22
1 Der Fall
Zwangsgeldfestsetzung auf die unerfüllte Auskunftsverpflichtung
Die Parteien streiten um die Frage, ob gegen den Schuldner ein Zwangsgeld festzusetzen ist. Mit Teilanerkenntnisurteil des LG wurde der Schuldner verurteilt, den Erben der ungeteilten Erbengemeinschaft nach der verstorbenen A, bestehend aus dem Schuldner, der Gläubigerin und Herrn B, für den Zeitraum vom 25.4.2016 bis zum 31.8.2019 zur gesamten Hand eine geordnete Zusammenstellung aller Einnahmen und Ausgaben über die Verwaltung des Kontos der Erblasserin bei der Bank zu erteilen.
Die Gläubigerin beantragte, gegen den Schuldner ein Zwangsgeld festzusetzen, da dieser seiner Verpflichtung aus dem Teilanerkenntnisurteil nicht nachgekommen sei. Das LG verhängte gegen den Schuldner zur Erzwingung der ihm in dem Teilanerkenntnisurteil auferlegten Handlung ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR und ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, für je 200,00 EUR einen Tag Zwangshaft. Der Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Schuldners am 6.4.2022 zugestellt.
Beschwerde per Fax und per Post gegen Zwangsgeldfestsetzung
Mit einem am 19.4.2022 per Fax beim LG eingegangenen Anwaltsschriftsatz vom selben Tage erhob der Schuldner gegen den Beschluss des LG sofortige Beschwerde. Zur Begründung führte er u.a. aus, dass ihm die Kontoauszüge nur teilweise vorlägen. Am 21.4.2022 ging der entsprechende Anwaltsschriftsatz im Original beim LG ein. Das LG half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte sie dem OLG vor.
2 II. Die Entscheidung
OLG hält die sofortige Beschwerde für unzulässig
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des LG ist als unzulässig zu verwerfen. Die sofortige Beschwerde ist verfristet, worauf der erkennende Einzelrichter den Schuldner bereits hingewiesen hatte.
Die Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde endete gem. § 569 Abs. 1 ZPO mit Ablauf des 20.4.2022. Die per Telefax und einfachen Brief eingelegte sofortige Beschwerde konnte diese Frist nicht wahren. Bis zum Ablauf des 20.4.2022 ist ein Rechtsmittel als elektronisches Dokument nicht übermittelt worden. Die am 19.4.2022 per Telefax und sodann im Original am 21.4.2022 eingegangene sofortige Beschwerde wahrte die Form des § 130d S. 1 ZPO nicht.
Einreichung als elektronisches Dokument ist Zulässigkeitsvoraussetzung
Die Einreichung als elektronisches Dokument stellt eine Zulässigkeitsvoraussetzung dar und ist nach dem Willen des Gesetzgebers von Amts wegen zu beachten. Bei Nichteinhaltung ist die Prozesserklärung nicht wirksam (vgl. KG v. 25.2.2022 – 6 U 218/21; BT-Drucks 17/12634, S. 27; Greger, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 130d Rn 1; für die Parallelnorm des § 32d S. 2 StPO so auch BGH, v. 24.5.2022 – 2 StR 110/22; für die Parallelnorm des § 55d VwGO ebenso VG Berlin v. 5.5.2022 – VG 12 L 25/22).
Keine Begrenzung auf Verfahren mit Anwaltszwang
Der von dem Schuldner erhobene Einwand, auf Zwangsvollstreckungsverfahren sei "die Verpflichtung der Parteien, nur über das besondere elektronische Anwaltspostfach zu korrespondieren, nicht anwendbar", weil Zwangsvollstreckungssachen nicht dem Anwaltszwang unterlägen, ist nicht stichhaltig. § 130d S. 1 ZPO gilt grundsätzlich für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO (vgl. etwa OLG Hamm v. 4.4.2022 – I-8 U 23/22; BT-Drucks 17/12634, S. 28). Das Gesetz unterscheidet insofern gerade nicht zwischen denjenigen Verfahren, die dem Anwaltszwang unterliegen, einerseits und anderen Verfahren andererseits. Daher ist § 130d S. 1 ZPO auch auf diejenigen Verfahren anwendbar, die nicht dem Anwaltszwang unterliegen.
Keine Grundlage für eine Ausnahme
Der Ausnahmefall, in dem eine Übermittlung eines Schriftsatzes nach den allgemeinen Vorschriften zulässig ist, liegt nicht vor.
Gemäß § 130d S. 2 ZPO ist dies nur zulässig, wenn die Übermittlung eines elektronischen Dokuments aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Dem liegt die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass die zwingende Benutzung des elektronischen Rechtsverkehrs nicht gelten kann, wenn die Justiz aus technischen Gründen nicht auf elektronischem Weg erreichbar ist. Dabei soll es keine Rolle spielen, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder in der Sphäre des Einreichers zu suchen ist. Denn auch ein vorübergehender Ausfall der technischen Einrichtungen des Rechtsanwalts soll dem Rechtsuchenden nicht zum Nachteil gereichen (vgl. KG v. 25.2.2022 – 6 U 218/21; BT-Drucks 17/12634, S. 27). Eine vorübergehende technische Störung am 20.4.2022 ist vom Schuldner jedoch weder in Bezug auf den Kanzleibereich seines Prozessbevollmächtigten noch in Bezug auf den Bereich des LG oder des OLG behauptet oder glaubhaft gemacht word...