I. Das Problem
Erfolgreiche Lohnpfändung
Wir haben eine Pfändung beim Arbeitgeber des S veranlasst. Dieser überweist seit Mai 2016 den pfändbaren Betrag und berücksichtigt dabei eine unterhaltsberechtigte Person mit der Begründung, der Schuldner habe einen 0,5-Kinderfreibetrag. Diese Aussage stimmt, da uns monatlich die Lohnscheine vorliegen. Der Schuldner hat ca. 1.640,00 EUR netto, so dass wir in der Regel ca. 80,00 EUR erhalten.
Nachträgliche privilegierte Pfändung
Im Oktober teilte der Arbeitgeber mit, dass er nicht mehr leisten könne, da eine Unterhaltspfändung des Landratsamtes eingegangen wäre, die meiner Pfändung vorginge. Diese Fehleinschätzung konnte ich beim Arbeitgeber mühevoll korrigieren, so dass weiterhin die 80,00 EUR kommen. Das Landratsamt erhält mit Hilfe der privilegierten Pfändung ca. 500,00 EUR monatlich; sicher für rückständigen Unterhalt.
Schuldner zahlt keinen Unterhalt
Der Schuldner hat im Vermögensverzeichnis angegeben, "derzeit" keinen Unterhalt zu zahlen. Das beides sind Indizien, welche den Schluss nahelegen, dass der Schuldner derzeit auch keinen Unterhalt zahlt. Es bestehen Bedenken, ob der Schuldner gleichwohl für die Unterhaltsberechtigten Freibeträge geltend machen kann.
Das sagt der Rechtspfleger
Eine Nachfrage bei dem Rechtspfleger, der den PfüB erlassen hat, ob mittels eines zu beantragenden Beschlusses dem Arbeitgeber aufgegeben werden könne, den Freibetrag nicht anzusetzen (Beweis: Vermögensverzeichnis und Pfändung des Landratsamtes – der Schuldner kann sich ja dagegen wehren, falls er tatsächlich Unterhalt zahlt), ergab, dass es Sache des Arbeitgebers sei zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Freibetrag tatsächlich vorliegen. Ich soll den Arbeitgeber dazu auffordern. Er werde dazu keinen Beschluss erlassen.
Was können wir tun?
Da die Problematik ein Standardthema ist und sicher häufig der Freibetrag berücksichtigt wird, ohne dass Unterhalt geleistet wird, suchen wir den Rat der FoVo. Meist erfährt man es ja nicht, dass kein Unterhalt gezahlt wird.
II. Die Lösung
Berechnung des pfändungsfreien Arbeitseinkommens
Die Höhe des pfändbaren Arbeitseinkommens bestimmt sich nach § 850c ZPO. Danach ist von dem nach § 850e ZPO zu berechnenden Nettoeinkommen auszugehen. Nach der Rundung auf einen auf 10 EUR endenden Betrag ist hiervon der Freibetrag des Schuldners von aktuell 1.073,88 EUR in Abzug zu bringen. Von dem überschießenden Betrag sind nach § 850c Abs. 2 ZPO weitere 3/10 pfändungsfrei, der Restbetrag pfändbar. Das Ergebnis kann in der Tabelle zu § 850c ZPO abgelesen werden.
Beispiel
Bei einem Nettolohn von 1.640 EUR ergibt sich allein für den Schuldner ohne unterhaltsberechtigte Person nach Abzug des Freibetrages von 1.073,88 EUR eine Zwischensumme von 566,12 EUR. Hiervon sind weitere 3/10 = 169,84 EUR unpfändbar und damit 396,28 EUR pfändbar. Exakt dieser Wert ergibt sich aus der Pfändungsfreigrenzentabelle.
Berücksichtigung unterhaltsberechtigter Personen
Gewährt der Schuldner aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder einem Verwandten oder nach §§ 1615l, 1615n BGB einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag, bis zu dessen Höhe Arbeitseinkommen unpfändbar ist, nach § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO um 404,16 EUR für die erste unterhaltsberechtigte Person und um jeweils weitere 225,17 EUR für die zweite bis fünfte unterhaltsberechtigte Person. Für die erste unterhaltsberechtigte Person werden dann von dem überschießenden Betrag zwei Zehntel, für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel pfändungsfrei gestellt.
Beispiel
Im obigen Beispiel ergibt sich bei einem unverheirateten Schuldner mit einem unterhaltspflichtigen Kind etwa folgende Berechnung:
Nettoeinkommen |
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1.640,00 EUR |
abzüglich Freibetrag Schuldner |
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1.073,88 EUR |
abzüglich Freibetrag erste unterhaltsberechtigte Person |
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404,16 EUR |
Zwischensumme |
161,96 EUR |
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abzüglich 3/10 für Schuldner |
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48,59 EUR |
abzüglich 2/10 für erste unterhaltsberechtigte Person |
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32,39 EUR |
Pfändbarer Betrag |
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80,98 EUR |
Auch dieser Betrag ergibt sich aus der Pfändungsfreigrenzentabelle. Hierauf kann aber nur bei bestimmten Konstellationen zurückgegriffen werden. Ist etwa eine teilweise Nichtberücksichtigung nach § 850c Abs. 4 ZPO einzurechnen, so muss jeweils die vorstehende Berechnung nachvollzogen werden.
Der nicht gezahlt Unterhalt
Die erhöhten Freibeträge für gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen stehen dem Schuldner aber nur dann zu, wenn er seiner Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung auch tatsächlich nachkommt. Das ergibt sich aus der Formulierung "gewährt der Schuldner … Unterhalt" (vgl. BAG NJW 1966, 903; LSG NW Rpfleger 1984, 278; LG Amberg JurBüro 2011, 605; LG Augsburg und LG Ravensburg JurBüro 2000, 329; LG Chemnitz JurBüro 2004, 447; LG Heilbronn JurBüro 2001, 326; LG Kassel JurBüro 2004, 558; LG Stuttgart JurBüro 2003, 156; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 850c Rn 5).
Hinweis
Entscheidend ist allein, ob der Schuldner überhaupt Unterhalt leistet. Ob er ...