Leitsatz
Die Beschwerde gegen die Festsetzung eines Zwangs- oder Ordnungsmittels hat auch bei Zwangs- oder Ordnungsmittelbeschlüssen gemäß §§ 888, 890 ZPO aufschiebende Wirkung.
BGH, 17.8.2011 – I ZB 20/11
1 I. Der Fall
Beschlussverfügung mit Ordnungsgeldandrohung
Der Gl ist Gesellschafter der A-GbR. Er hat vor dem LG eine durch Urteil bestätigte Beschlussverfügung erwirkt, mit der dem SU unter Androhung von Ordnungsmitteln u.a. untersagt wurde, mit der A-GbR innerhalb von drei Monaten in Wettbewerb zu treten.
Ordnungsgeldbeschluss und dessen Aufhebung
Das LG hat am 9.5.2008 gegen den SU wegen Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000 EUR und für den Fall seiner Nichtbeitreibbarkeit für je 500 EUR einen Tag Ordnungshaft festgesetzt. Der vom SU eingelegten sofortigen Beschwerde hat das Landgericht am 4.6.2010 abgeholfen und den Beschl. v. 9.5.2008 aufgehoben.
Verfolgungsverjährung als Hindernis
Der vom Gl gegen den Aufhebungsbeschluss eingelegten sofortigen Beschwerde hat das LG unter Hinweis auf die eingetretene Vollstreckungsverjährung nicht abgeholfen. Das OLG ist dem entgegengetreten und hat die Sache zurückverwiesen.
2 II. Die Entscheidung
Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass keine Verjährung eingetreten und der vom Gl gestellte Vollstreckungsantrag nicht wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig ist. Auf die Ordnungsmittel des § 890 ZPO ist die Regelung des Art. 9 EGStGB anzuwenden. Dasselbe gilt in Fällen, in denen das Prozessgericht als Vollstreckungsgericht ein Ordnungsmittel bereits festgesetzt hat. Es kann dann keine Verfolgungsverjährung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 EGStGB mehr eintreten (BGH NJW 2005, 509).
Hemmung der Vollstreckungsverjährung
Das OLG hat mit Recht angenommen, dass der danach allein in Betracht kommenden Vollstreckungsverjährung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 EGStGB entgegenstand, dass diese Verjährung zwar mit der Vollstreckbarkeit begonnen (Art. 9 Abs. 2 Satz 3 EGStGB), aber seit der Einlegung der sofortigen Beschwerde durch den SU am 21.5.2008 gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 EGStGB geruht hat. Das OLG hat mit Recht die in diesem Zusammenhang entscheidende Frage bejaht, ob die aufschiebende Wirkung, die eine Beschwerde gegen die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels gemäß § 570 Abs. 1 ZPO hat, auch bei Zwangs- und Ordnungsmittelbeschlüssen gemäß §§ 888, 890 ZPO eintritt.
BGH klärt die Streitfrage …
Die in der Rechtsprechung wie auch im Schrifttum umstrittene und vom BGH bislang noch nicht entschiedene Frage wird teilweise mit der Begründung verneint, die weite Fassung des § 570 Abs. 1 ZPO beruhe auf einem Redaktionsversehen, das dem Gesetzgeber bei der Neufassung der Vorschriften über die Beschwerde im Zuge der ZPO-Reform 2002 unterlaufen und durch eine einschränkende Auslegung dieser Vorschrift zu korrigieren sei (vgl. OLG Köln NJW-RR 2003, 716 f.; MüKoZPO/Lipp, 3. Aufl., § 570 Rn 2; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 888 Rn 48 und § 890 Rn 70; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 570 Rn 2; Zöller/Stöber a.a.O. § 888 Rn 15 und § 890 Rn 20; Olzen, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl., § 888 Rn 33 und § 890 Rn 29; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 570 Rn 1; Seiler, in: Thomas/Putzo a.a.O. § 888 Rn 18 und § 890 Rn 40; Walker, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 888 Rn 51). Diese Ansicht wird außer mit der vollstreckungsrechtlichen Funktion der §§ 888, 890 ZPO und dem Umstand, dass in diesen Bestimmungen das Wort "Festsetzung" nicht verwendet wird, vor allem damit begründet, dass der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung nichts an der bisher bestehenden Rechtslage habe ändern wollen, nach der Beschwerden gegen Beschlüsse gemäß §§ 888, 890 ZPO keine aufschiebende Wirkung gehabt hätten. Sie nimmt dabei auf die Formulierung in der Begründung zum Regierungsentwurf Bezug, wonach die an die Stelle des Enumerationsprinzips in § 572 ZPO a.F. tretende Generalklausel des § 570 Abs. 1 ZPO die nach dem bisherigen Recht unvollständige Aufzählung einzelner Ordnungs- und Zwangsmittel "ohne inhaltliche Änderung" obsolet mache (vgl. OLG Köln NJW-RR 2003, 715 mit Hinweis auf BT-Drucks 14/4722, S. 112).
… entgegen der bisher herrschenden Auffassung!
Das OLG weist zur Begründung seiner gegenteiligen, in der Rechtsprechung und im Schrifttum ebenfalls verbreiteten Ansicht (vgl. OLG Frankfurt a.M. InstGE 9, 301, 302; Wieczorek/Schütze/Jänich, ZPO, 3. Aufl., § 570 Rn 3; Baumbach/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 570 Rn 4 und § 890 Rn 40; Sturhahn, in: Schuschke/Walker a.a.O. § 890 Rn 56; Musielak/Lackmann, ZPO, 8. Aufl., § 890 Rn 20) mit Recht darauf hin, dass die Äußerung des Reformgesetzgebers an der bewussten Stelle keineswegs eindeutig, sondern im Gegenteil in sich widersprüchlich ist. So findet sich dort zwischen den Passagen die Wendung eingestreut, die Beschwerde habe "nunmehr immer dann aufschiebende Wirkung, wenn sie die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels zum Gegenstand" habe. Bei dieser Sachlage erscheint es all...