Mehr als nur ein erster Blick …

Viele Gläubiger pfänden den Lohn des Schuldners und geben sich dann aber mit der Mitteilung des Drittschuldners zufrieden, dass pfändbarer Lohn nicht vorhanden ist. Das lässt allerdings die begrenzten Erkenntnismöglichkeiten und Befugnisse des Drittschuldners außer Betracht.

Der Drittschuldner hat regelmäßig keine Kenntnis davon, ob der Schuldner gegenüber den gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen seiner Unterhaltspflicht auch tatsächlich nachkommt.
Gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen, die über eigenes Einkommen verfügen, darf der Drittschuldner auch dann nicht berücksichtigten, wenn er Kenntnis von deren eigenen Einkünften hat, etwa weil die Tochter des Schuldners ebenfalls bei ihm beschäftigt ist. Es bedarf vielmehr eines Antrages des Gläubigers und eines entsprechenden Beschlusses des Vollstreckungsgerichtes.

Insoweit lohnt es sich für den Gläubiger, hier noch einmal einen zweiten Blick zu wagen und die Fragen nach der Unterhaltspflicht und der Unterhaltserfüllung zu stellen.

Ein zweiter Blick, der sich lohnt

Die Nichtberücksichtigung von Unterhaltsberechtigten – sei es, weil diese über eigenes Einkommen verfügen, sei es dass der Schuldner seiner Unterhaltspflicht überhaupt nicht nachkommt – lohnt sich in jedem Fall.

 

Beispiel

Der geschiedene Schuldner hat ein Nettoeinkommen von 1.500 EUR. Er ist seiner bei ihm lebenden 17-jährigen Tochter gegenüber gesetzlich unterhaltspflichtig. Nach der Pfändungsfreigrenzentabelle ist bei einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person damit kein Arbeitslohn pfändbar.

Arbeitet die Tochter allerdings schon und erhält eine Ausbildungs- oder Arbeitsvergütung von 750 EUR, so kann der Gläubiger einen Antrag auf deren Nichtberücksichtigung nach § 850c Abs. 4 ZPO stellen. Der pfändbare Betrag beträgt nun auf einmal 256,34 EUR.

Kein anderes Ergebnis, mithin ebenfalls einen pfändbaren Betrag von 256,34 EUR, ergibt sich, wenn die Tochter nicht bei dem Schuldner, sondern dessen geschiedener Frau lebt, noch zur Schule geht – mithin kein eigenes Einkommen erzielt –, aber der Schuldner tatsächlich keinen Unterhalt leistet. In diesem Fall bedarf es des Klarstellungsbeschlusses.

Das Standardproblem: die Information

Um die Instrumentarien tatsächlich anwenden zu können, bedarf der Gläubiger der Information über das Einkommen der gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen oder die Nichterfüllung der Unterhaltspflicht. Die Informationen können aus verschiedenen Quellen kommen:

Ganz informell durch eine Selbstauskunft des Schuldners. Eine Verpflichtung dazu kann etwa in Zahlungsvereinbarungen aufgenommen werden.
Ebenso informell, indem die betroffene unterhaltsberechtigte Person oder – bei Minderjährigen – deren weiterer gesetzlicher Vertreter, d.h. der getrennt oder geschieden lebende Partner, befragt wird.
Durch eine Internetrecherche, die sich dann auch auf die gesetzlich unterhaltsberechtigte Person bezieht. So kann diese auf einer Firmenseite als Arbeitnehmer aufgeführt sein, was das Einkommen belegt.
Letztlich ganz formell muss der Schuldner hierüber auch in der Vermögensauskunft Stellung beziehen.

FoVo 7/2018, S. 148 - 151

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