1 Leitsatz
Veranlasst der Vermieter durch sein vertragswidriges Verhalten eine fristlose Kündigung des Mieters, muss er dem Mieter als Kündigungsfolgeschaden sämtliche Kosten ersetzen, die dem Mieter für den Umzug in eine andere Wohnung entstehen.
2 Normenkette
§§ 280, 284, 535 BGB; §§ 543 ff., 552 ZPO
3 Das Problem
Der Mieter kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich und fristlos kündigen (§ 543 Abs. 1 BGB). Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Mieter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens des Vermieters und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann, z. B. wenn das Vertrauensverhältnis zum Vermieter zerrüttet ist. Gleiches gilt, wenn der Vermieter den Hausfrieden nachhaltig stört (§ 569 Abs. 2 BGB).
4 Die Entscheidung
Diese Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung des Mieters liegen nach einem neuen Urteil des BGH vor, wenn der Vermieter oder ein von ihm beauftragter Handwerker ohne Erlaubnis des Mieters dessen zur Wohnung gehörigen Balkon betritt. Teuer kann es für den Vermieter werden, weil der Mieter in diesem Fall von dem Veranlasser der Kündigung – dem Vermieter – den Ersatz sämtlicher Schäden verlangen kann, die ihm durch den Umzug in eine andere Wohnung entstehen. Als Positionen dieses sog. Kündigungsfolgeschadens kommen nach Auffassung des BGH in Betracht: Kosten einer Zwischenunterkunft, Kosten für Umzug bzw. Einlagerung von Mobiliar, Kosten für den Umbau bzw. Transfer der bisherigen Mietereinbauküche sowie die Maklerkosten für die Anmietung einer Ersatzunterkunft.
Dagegen stellen Maklerkosten in Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung keinen erstattungsfähigen Schaden dar, wenn der Mieter nach seinem Auszug aus der Mietwohnung in eine Eigentumswohnung zieht. Zwar ist – so der BGH – der Erwerb von Eigentum an einer Wohnung bzw. einem Haus noch eine adäquat kausale Reaktion des Mieters auf eine Pflichtverletzung des Vermieters, da es nicht fernliegend ist, dass der Mieter den notwendigen Wohnungswechsel zum Anlass nimmt, seine Wohnbedürfnisse künftig nicht in angemieteten, sondern eigenen Räumlichkeiten zu befriedigen und zu dessen Erwerb einen Makler einschaltet. Jedoch sind die im Zuge des Eigentumserwerbs aufgewandten Maklerkosten nicht mehr vom Schutzzweck der jeweils verletzten Vertragspflicht umfasst. Eine Haftung des Vermieters besteht nur für äquivalente und adäquate Schadensfolgen, d. h., der entstandene Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit dem Gebrauchserhaltungsinteresse des Mieters stehen. Dies ist bei den Maklerkosten nicht der Fall, da der Mieter mit Hilfe des Maklers nicht nur seinen Besitzverlust an der Mietwohnung ausgeglichen hat, sondern darüber hinaus im Vergleich zu seiner bisherigen Stellung als Mieter Eigentümer geworden ist. Anders als bei einem Mieter bestehen bei einem Eigentümer hinsichtlich der Nutzung seiner Wohnung keine vertraglichen Bindungen. Zudem ist dieses Nutzungsrecht zeitlich nicht begrenzt. Beim Abschluss eines Mietvertrags ist dem Mieter die Erlangung eines zeitlich begrenzten Gebrauchsrechts bewusst. Erwirbt er eine Wohnung bzw. ein Hausanwesen zum Eigentum, verfolgt er bezüglich der Deckung seines Wohnbedarfs andere Interessen als bisher. Die gleichen Grundsätze gelten nach einem weiteren Urteil des BGH, wenn der Mieter aufgrund eines vorgetäuschten Eigenbedarfs des Vermieters aus der Wohnung ausgezogen ist.
5 Entscheidung
BGH, Urteile v. 9.12.2020, VIII ZR 238/18 und VIII ZR 371/18, NZM 2020 S. 1038