Leitsatz

Der BGH setzte sich in seinem Beschluss mit den Auswirkungen der Fristüberwachung durch Auszubildende auf das Verschulden des Rechtsanwalts auseinander.

 

Sachverhalt

Der Beklagte war mit Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des AG verurteilt worden, an die Klägerin rückständigen und laufenden Trennungsunterhalt zu zahlen.

Zustellung des Urteils an seinen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten erfolgte am 14.7.2003. Die Prozessbevollmächtigte des Beklagten zweiter Instanz legte mit Schriftsatz vom 5.8.2003 - eingegangen bei Gericht am 6.8.2003 - Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein. Mit Schriftsatz vom 9.9.2003, der den Eingangsstempel des OLG vom 23.9.2003 trug, beantragte sie Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat. Die Berufung wurde mit Schriftsatz vom 25.9.2003 - am gleichen Tag bei Gericht eingegangen - begründet. Ferner beantragte die Prozessbevollmächtigte des Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist.

Zur Begründung trug sie vor, der Auszubildenden zur Rechtsanwaltsfachangestellten sei am 9.9.2003 ein am gleichen Tag gefertigter Schriftsatz mit dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist übergeben worden. Die Auszubildende sei u.a. beauftragt worden, diesen Schriftsatz im Original mit einer beglaubigten und einer einfachen Abschrift sowie der Gerichtsakte zum OLG zu bringen. Dort habe sie sich bei der Empfangsstelle im Eingangsbereich die vorgefertigte Empfangsquittung des Verlängerungsantrags abstempeln lassen. Sodann habe sie den mit dem gerichtlichen Eingangsstempel versehenen Originalschriftsatz für das Gericht, die Abschriften und die mit einem Eingangsstempel versehene Abschrift für die Handakte einschließlich der Gerichtsakte wieder an sich genommen. Anschließend habe sie die Gerichtsakte mit dem für das Gericht bestimmten Schriftstück in der Geschäftsstelle des Familiensenats abgegeben. Dort sei ihr der Empfang durch weitere handschriftliche Vermerke quittiert und die Quittung zurückgegeben worden. Die Quittung habe sich jedoch lediglich auf die Rückgabe der Gerichtsakten bezogen, was der Auszubildenden weder bei der Entgegennahme noch bei dem Abheften in die Handakte aufgefallen sei. Auch eine weitere den Fristenkalender überprüfende Auszubildende habe dies nicht bemerkt. Diese sei am 15.9.2003 für die Ausgangskontrolle zuständig gewesen, habe aber aus nicht zu erklärenden Umständen die im Fristenkalender notierte Frist für den Fristverlängerungsantrag nicht beachtet. Aus welchen Gründen der Fristverlängerungsantrag nicht zu der Gerichtsakte gelangt sei, könne nicht nachvollzogen werden. Eine Nachfrage beim OLG hinsichtlich der erbetenen Fristverlängerung sei nicht erfolgt, da es gerichtlicher Übung entspreche, dass die Fristverlängerung antragsgemäß bewilligt werde und darauf auch dann vertraut werden könne, wenn dies bis zum Fristablauf noch nicht geschehen sei.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Der BGH hielt die Rechtsbeschwerde für statthaft, verwarf sie jedoch als unzulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehle.

Das Berufungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass für den Beklagten die Möglichkeit bestanden habe, nach Versäumung der Berufungsbegründungsfrist insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Diese wäre zu bewilligen, wenn rechtzeitig ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist eingegangen wäre und der Beklagte habe darauf vertrauen dürfen, dass das Gericht dem Antrag entsprechen werde.

Ein rechtzeitiger Eingang des Verlängerungsantrags sei indessen nicht glaubhaft gemacht worden. Der Schriftsatz vom 9.9.2003, mit dem die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt worden sei, trage den Eingangsstempel des Berufungsgerichts vom 23.9.2003. Der durch den Eingangsstempel begründete Beweis könne allerdings nach § 418 Abs. 2 ZPO durch Gegenbeweis entkräftet werden. Dies könne in dem Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch Glaubhaftmachung der Richtigkeit erfolgen. Dies setze im vorliegenden Fall voraus, dass für den behaupteten Eingang des Antrags bereits am 9.9.2003 eine überwiegende Wahrscheinlichkeit spreche. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Der Vortrag des Beklagten beinhalte einen eher ungewöhnlichen Geschehensablauf, der wenig wahrscheinlich erscheine. Im Übrigen sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass der Beklagte gleichwohl ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten.

Grundsätzlich habe die Auszubildende damit betraut werden dürfen, den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zum OLG zu bringen. Auch Auszubildende und Praktikanten dürften mit Botengängen in wichtigen Angelegenheiten beauftragt werden. Allein dies vermöge jedoch ein Verschulden an der Fristversäumnis nicht auszuschließen.

Nach ständ...

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